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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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etwas?«
    Blacks Aufmerksamkeit ließ niemals nach. Oh, ja, er beobachtete mich mit den sprichwörtlichen Argusaugen und wusste, dass ich nah am Rande des Abgrunds stand und mich sogar schon über die Kante lehnte. »Nein, alles bestens. Ich hasse eben Beerdigungen. Ich gehe raus, frische Luft schnappen.«
    Black folgte mir nach draußen. Zusammen standen wir unter einer gewaltigen Ulme, die neben der Kirche wuchs und ihren kühlenden Schatten auf die Vortreppe warf. Der feuchte, erdige Geruch von Moos und Efeu, die am Baumstamm wucherten, stieg uns in die Nase. In der Ferne, irgendwo auf dem Missouri River, hörte ich eine Schiffssirene. In dem Wildkirschenbaum auf der anderen Straßenseite veranstaltete ein laut schnatternder Vogelschwarm ein Festmahl. Rings um uns herum strömten die Trauergäste aus der Kirche. Inzwischen sprachen sie wieder in Normallautstärke und steuerten auf ihre Autos zu, um sich der Fahrzeugkolonne zum nahe gelegenen Friedhof anzuschließen.
    Black und ich waren in meinem Explorer gekommen. Sein riesiger Humvee passte einfach nicht zu einer Beerdigung, denn er wäre größer gewesen als der Leichenwagen. Ich öffnete die Türen, nahm auf dem Fahrersitz Platz und klappte mein Telefon auf, um festzustellen, ob Bud angerufen hatte. Fehlanzeige. Kein Mensch hatte sich gemeldet, was ich ein wenig ungewöhnlich fand. Vielleicht lief in Canton County ja endlich einmal alles reibungslos. Das wäre eine hübsche Abwechslung gewesen.
    Die Fahrt zum Friedhof dauerte nicht lang. Wir stiegen aus und blieben neben meinem SUV auf dem geteerten Weg stehen, anstatt den mit Gras bewachsenen Hügel hinunter zu Mikeys letzter Ruhestätte zu gehen. Über unsere Gründe dafür sprachen wir nicht, denn wir kannten sie beide. Der Gouverneur stand neben der schneeweiß gewandeten Momma und hatte den Arm um ihre Taille gelegt. Mir erschien das ein wenig suspekt, denn Mikeys Dad weinte bitterlich, während Momma einen ausgesprochen gefassten Eindruck machte. Dann legte der Gouverneur auch Joseph die Hand auf die Schulter, und alles war wieder gut.
    Endlich, etwa zwanzig Minuten später, saßen wir wieder im Explorer und waren unterwegs zum Mittagessen beim Gouverneur. Ich parkte etwa einen Häuserblock entfernt am Randstein vor einem alten, zweistöckigen zitronengelb gestrichenen Holzhaus, dessen Balkon in der oberen Etage mit verschnörkelten weißen Kanten abgesetzt war. Auf dem Weg den Hügel hinauf hielten wir kurz inne, um den Kindern gewidmeten großen Bronzebrunnen vor der Villa zu bewundern. Dann folgten wir einem Grüppchen plaudernder Frauen die Stufen zur Veranda hinauf, die den Amtssitz des Gouverneurs des Staates Missouri zierte. Die Villa stand neben dem Kapitol, was vermutlich recht praktisch war. Sie war aus rotem Backstein im viktorianischen Stil erbaut und wurde von einem quadratischen Türmchen gekrönt, das vermutlich eine tolle Aussicht auf die geschwungenen Hügel von Missouri bot. Wirklich ein wunderschönes altes Haus.
    Die Tür wurde von Sicherheitsleuten bewacht. Überhaupt wimmelte es von Officers der Missouri Highway Patrol, doch ich kannte keinen von ihnen. Die Frauen vor uns präsentierten ihre Einladungen zur Beerdigung mit Mikeys Foto darauf. Aber ich zeigte nur meine Dienstmarke vor, damit auch ja keine Missverständnisse aufkamen. Nein, ich würde meine Waffen nicht abgeben, auch nicht für den Gouverneur. Ein kahlköpfiger, muskelbepackter Hüne beugte sich vor, begutachtete meine Dienstmarke und musterte dann prüfend mein Gesicht, als sei ich Lizzie Borden und würde jeden Moment eine Axt hervorzaubern. Dann kontrollierte er Blacks Führerschein, als hätte er es mit Jack the Ripper im Maßanzug zu tun. Black zog zwar ein leicht gereiztes Gesicht, verkniff sich aber die lästerliche Bemerkung. Er musste sich nicht oft ausweisen, falls er das überhaupt je nötig gehabt hatte. Die meisten Leute erkannten ihn nämlich.
    Wir wurden ins Haus gewinkt und traten in einen Raum, der, wie ich gehört hatte, als Great Hall bezeichnet wurde. Und es war wirklich eine Halle, und dazu eine ziemlich große, zumindest soweit ich es beurteilen konnte. Blassgelbe Wände, hübsch geschnitzte dunkle Holzvertäfelungen und schimmernde Parkettböden. Wie hoch mochte die Decke sein? Sieben oder acht Meter? Außerdem strotzte der Raum von antiken Möbelstücken; zum Beispiel war da ein recht großer Tisch mit rot aufgepolsterten Stühlen vor einem Kamin, über dessen Sims ein riesiger Spiegel hing. Sie

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