Das Boese in uns
der Kamera, und nur daraufkommt es letztlich an, nicht wahr?«
Ich sehe, wie Callie über Kirbys Vorschlag nachdenkt, einen alten Freund zur Hochzeit mitzubringen, was angesichts von Kirbys Hintergrund nicht ganz unproblematisch ist.
»Schön.«
»Das wird eine Hochzeit!«, meint Alan. »Ein Drittel der Lieferanten wird von Kirby gevögelt, ein Drittel eingeschüchtert, und der Rest sind ehemalige Söldner aus ihrem Bekanntenkreis.«
»Wieso ehemalige?«, sagt Kirby. »Die meisten sind immer noch aktiv.«
»Ich hasse es, euren Plausch zu stören«, sage ich, »aber ich müsste mal mit Callie reden.«
»Okay, ich bin schon weg«, sagt Kirby. »Ich weiß, was ich wissen muss. Wir sehen uns später, Callie-Baby.«
»Ja. Ruf mich an.«
»Ich bin nur bis vier Uhr morgen früh wach«, sagt Kirby. »Ich brauche meinen Schönheitsschlaf.«
Callie hält die Landkarte hoch, damit wir sie alle sehen können.
»Ich habe James eine Liste sämtlicher Tatorte ausdrucken lassen und sie mit Stecknadeln markiert.«
Wir versammeln uns um die Karte, um die Sache aus der Nähe zu betrachten.
»Es gibt mehrere Häufungen«, sagt Alan. »Hier«, er zeigt auf L. A., wo es mehr als zwanzig gibt, »und hier.« Er zeigt auf Las Vegas, Nevada.
»Sonne und Sünde«, sagt Callie.
Die restlichen finden sich verteilt in den übrigen westlichen Staaten. Einige in Städten, deren Namen jeder kennt, andere in Kaffs, von denen ich noch nie gehört habe. Der Gesamteindruck ist mehr als ernüchternd.
»Es sieht aus wie ein beschissener Wald!«, sagt Alan. Es ist ein Echo meiner eigenen Gedanken.
»Entschuldigt«, meldet Kirby sich zu Wort. Sie ist also doch nicht gegangen. »Warum steht dieser Name auf der Tafel?«
Sie deutet auf den Namen eines der Opfer in Los Angeles: Willow Thomas.
»Wieso?«, frage ich.
Das Lächeln, mit dem sie antwortet, ist freudlos und beängstigend und lässt sämtliche Alarmglocken in mir schrillen. »Beantworte meine Frage.«
Ihr Tonfall ist freundlich. Es könnte eine Frage über das Wetter sein. Doch Kirbys Leopardenaugen sind plötzlich erschienen, und sie sind kalt, kalt, kalt. Es ist die völlige Gleichgültigkeit eines bezahlten Killers, der einen Menschen nicht deswegen erschießt, weil er ein schlechter Mensch ist, sondern weil jemand anders diesen Menschen tot sehen will und bereit ist, dafür zu zahlen.
»Hast du keine Nachrichten gesehen?«, fragt Callie. Kirby wirft ihr einen raschen Blick zu.
»Wenn ich die Nachrichten gesehen hätte, würde ich wohl kaum diese Frage stellen, Callie, meinst du nicht auch?«
Dass sie Callies Namen benutzt, ohne irgendeinen Schnörkel anzufügen, lässt meine Unruhe wachsen. Kirbys Stimme klingt immer noch sanft, und die Ermahnung an Callies Adresse ist gelangweilt, ja lustlos, aber die Luft ist mit einem Mal aufgeladen, und ich spüre die Atmosphäre von Gefahr.
Was hat das zu bedeuten ?
»Es gibt da einen Mann«, sage ich und beobachte ihre Reaktion. »Wir vermuten, dass er seit zwanzig Jahren Frauen umbringt. Und wir sind ziemlich sicher, dass die Namen auf der Tafel zu seinen Opfern gehören.«
»Opfer? Du meinst, sie sind tot?«
»Ja.«
Sie kommt zu mir und legt den Arm um meine Schulter. Es ist alles andere als freundlich. Es ist eine intensive, unbehagliche Nähe. »Und?«, flüstert sie, den Mund ganz nahe bei meinem Ohr. »Wissen wir, wer dieser Mann ist?« Ihre Worte sind wie aus Eis gehauen, so unendlich kalt klingen sie.
»Noch nicht.« Ich löse mich von Kirby und sehe ihr in die Augen. »Und ich bin nicht sicher, ob ich dir den Namen verraten würde, wenn es anders wäre.«
Sie starrt mich mit ihrem eiskalten Blick an. Eine Ewigkeit, wie es scheint.
»Kann ich mit dir reden?«, fragt sie schließlich. »Unter vier Augen?«
Sie wendet sich ab und geht in Richtung meines Büros, ohne auf eine Antwort zu warten. Ich drehe mich zu Alan, Callie und James um.
»Keine Ahnung«, sagt Callie.
»Ich wusste noch nie, was im Kopf dieser Psychopathin vor sich geht«, sagt Alan.
Lediglich James sagt gar nichts.
Wir sitzen in meinem Büro, die Tür ist geschlossen. Ich warte darauf, dass Kirby zu reden anfängt. Dass sie schweigt, ist unnatürlich.
Sie sitzt im Besuchersessel vor meinem Schreibtisch, spielt an ihrer Unterlippe und sieht zur Seite.
»Erzähl mir von Willow Thomas, Kirby«, sage ich schließlich in die lastende Stille hinein. »Wer war sie? Was hat sie dir bedeutet?«
Erneut das Zupfen an der Unterlippe. Ich habe Kirby noch
Weitere Kostenlose Bücher