Das Boese in uns
ich fertig bin, reibt Kardinal Ross sich die Stirn und blickt sorgenvoll drein.
»Dürfte ich mich setzen?«
Alan bringt ihm einen Stuhl.
»Nun, ich pflichte dem selbstverständlich bei. Es gibt keinen anderen Weg, wie er es hätte erfahren können. Das ist furchtbar. Furchtbar, furchtbar, furchtbar. Wenn es an die Öffentlichkeit gelangt, wird es die Gläubigen tief erschüttern.«
»Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht nur wegen weiterer Klagen sorgen?«, sagt James. »Ihre Kirche hat schließlich jahrelang erfolgreich Pädophile versteckt.« »James!«, fauche ich ihn an.
Der Kardinal hebt die Hand. »Nein, Agentin Barrett. Ich habe zu akzeptieren gelernt, dass ich jede Demütigung verdiene, die mir wegen dieser Sache widerfährt. Ich persönlich habe niemals einen pädophilen Priester versteckt, doch Mitglieder meiner Kirche haben es getan, und das war schändlich. Meine Sorge gilt nicht dem Ruf meiner Kirche, trotz allem, was Sie vielleicht denken. Es ist eine Frage des Glaubens. Hat einer von Ihnen jemals gebeichtet?«
»Ich«, melde ich mich. »Zum letzten Mal allerdings als junges Mädchen.«
Alan lässt sich nichts anmerken angesichts meiner kleinen Lüge.
»Ich habe ewig nicht gebeichtet«, sagt Callie. »Ist auch besser so. Ich hätte dem armem Priester wahrscheinlich die Schamesröte ins Gesicht getrieben.«
James schweigt.
»Können Sie sich vorstellen, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie feststellen, dass außer Ihrem Beichtvater und Gott noch eine dritte Person zugehört hat? Es ist weit mehr als ein Skandal. Es ist eine Verletzung einer der grundlegendsten, wunderbarsten und heiligsten Bastionen des Katholizismus. Priester sind eher gestorben, als das Siegel des Beichtgeheimnisses zu brechen.«
»Kardinal Ross«, sage ich. »Wir sind hier nicht auf einem Kreuzzug. Wir müssen diese Sache nicht an die Öffentlichkeit bringen. Allerdings brauchen wir die Kooperation seitens der Kirche und Zugang zu relevanten Informationen.«
»Beides werden Sie selbstverständlich erhalten. Ganz gleich, was passiert. Doch ich weiß Ihre Versicherungen zu schätzen. Die Wahrheit ist, früher oder später wird es trotzdem herauskommen. Ich bin sicher, irgendjemand anders wird die Fakten genauso analysieren, wie Sie es getan haben, und zu den gleichen Schlüssen gelangen. Was ich brauche, ist Zeit.«
»Es würde auch nicht schaden, wenn wir den Mann schnappen könnten, der dafür verantwortlich ist«, stelle ich klar.
»Das kann niemand bestreiten. Was benötigen Sie von mir?«
»Wir haben eine Liste sämtlicher Opfer angefertigt und die jeweiligen Wohnungen mit den nächstgelegenen Kirchen in Beziehung gesetzt. Ich brauche Zugang zu jeder dieser Kirchen, und ich muss herausfinden, ob die Opfer Mitglieder der jeweiligen Gemeinden waren. Sobald wir das bestätigt haben, müssen wir mit dem zuständigen Priester sprechen - vielleicht erinnert er sich an unseren Mann.«
»Ich kann Ihnen sofort drei Mitglieder meines Stabes zur Verfügung stellen. Sie können die Anrufe erledigen und die jeweiligen Priester anweisen, uneingeschränkt mit Ihnen zu kooperieren, noch ehe sie den Hörer an Sie weitergeben.«
Ich kann es kaum glauben. »Das wäre großartig.«
»Ich werde alles arrangieren.«
Kapitel 35
Jezebel, Callie, Alan und James sind in der improvisierten Telefonzentrale, zusammen mit den drei Priestern, die Kardinal Ross zu uns geschickt hat. Ich habe ihnen eine Weile zugesehen. Die Leute des Kardinals sind tüchtige, ernste Männer, die ihre Arbeit erledigen, ohne zu fragen. Sie sind hier, um das zu tun, was ihnen aufgetragen wurde.
Ohne großes Getue setzen sie sich an die Telefone und beginnen mit den Anrufen. Sie informieren die Priester am anderen Ende in knappen Worten, dass sie den Hörer sogleich an einen FBI-Mitarbeiter weitergeben würden, der Fragen an sie hätte, die sie bitte uneingeschränkt beantworten sollten. Einer meiner Leute übernimmt dann den Hörer und führt die eigentliche Befragung durch. Anschließend gibt er den Hörer wieder an den Mann von Kardinal Ross zurück, der dem betreffenden Priester abschließend erklärt, dass kein Wort davon nach draußen gelangen darf, unter gar keinen Umständen. Dann legt er auf. Ganz einfach, keine Fisimatenten, keine Beschwerden.
Ich lasse sie mit ihrer Arbeit allein und kehre in die jetzt leere Todeszentrale zurück, um mich einen Moment zu besinnen. In den letzten Tagen hat sich sehr viel getan. Der Prediger ist mit seinen
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