Das Boese in uns
die Demokraten einen Sitz im Kongress erringen - weil er diese Art von Konfrontation vermied.«
Ich überlege, was ich sie sonst noch fragen könnte, doch mir will im Moment nichts einfallen.
Meine nächsten Worte lege ich mir sorgfältig zurecht. »Rosario, ich möchte, dass Sie eines wissen: Ich werde alles tun, um denjenigen zu finden, der für Lisas Tod verantwortlich ist. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich ihn schnappe - ich habe vor langer Zeit gelernt, in dieser Hinsicht niemals Versprechungen zu machen —, aber mein Team und ich sind sehr, sehr gut. Wir brauchen Freiheiten, um unsere Arbeit zu tun. Ich bin bereit, gewisse Zugeständnisse zu machen, was politische Dinge angeht, doch letzten Endes arbeite ich weder für Sie noch für Ihren Mann, sondern für Lisa.«
»Lisa ist alles, was zählt.«
»Ich will nicht gefühllos erscheinen. Ich will lediglich sicher sein, dass ich meine Prioritäten deutlich gemacht habe.«
»Das haben Sie, und es klingt sehr vernünftig, Smoky.« Sie greift in ihre Jackentasche und reicht mir ein gefaltetes Blatt Papier. »Das sind meine sämtlichen Nummern. Sie können sich zu jeder Tages- und Nachtzeit bei mir melden, selbst wenn es um die kleinste Kleinigkeit geht.«
Ich nehme das Blatt entgegen. Sie klopft ein weiteres Mal gegen die Trennwand, das Signal, uns zum Leichenschauhaus zurückzubringen. Die Sonne geht unter, und der blutrote Himmel vermischt sich mit den feuerroten, brennenden Herbstbäumen.
Der Winter kommt. Der Winter ist immer noch hier. Wie der Tod.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Smoky?«
»Sie können mir jede Frage stellen, die Ihnen auf dem Herzen liegt, Rosario.«
Sie schaut mich an, und endlich sehe ich ihre Tränen. Keine stille Trauer, keine schrille Hysterie, nur ein nasser Strom aus dem Augenwinkel.
»Sind Sie je darüber hinweggekommen?«
Diese Frau verdient die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit, also sage ich sie ihr. »Niemals.«
Kapitel 3
»Callie, Alan und James sind auf dem Weg hierher«, berichtet mir AD Jones. »Sie müssten in wenigen Stunden eintreffen.«
Wir sind draußen vor dem Autopsieraum und beobachten durch eine Glasscheibe, wie der Gerichtsmediziner den Leichnam von Lisa Reid öffnet, um uns bei der Suche nach dem Killer zu helfen. Es ist die letzte, die endgültige Entweihung. Eine Autopsie ist ein seelenloses Geschäft, die Reduktion eines menschlichen Wesens auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Fleisch.
Inzwischen ist es nach neunzehn Uhr, und allmählich spüre ich die Trennung von zu Hause.
»Ziemlich eigenartig, hier zu sein«, bemerke ich.
»Ja«, pflichtet AD Jones mir bei und schweigt einen Moment.
»Meine zweite Frau und ich haben vor ein paar Jahren einmal darüber gesprochen, hierher zu ziehen.« »Tatsächlich?«
»Ja. Hier gibt es noch richtige Jahreszeiten. Weiße Weihnachten, eine erwachende Natur im Frühling, und den Herbst ... Sie haben ja die Bäume gesehen ...« Er zuckt die Schultern. »Ich hatte nichts dagegen. Dann ging die Ehe den Bach hinunter, und ich hab's offenbar vergessen.«
Er verstummt wieder. Das ist die Geschichte unserer Beziehung. In unerwarteten Augenblicken gibt Jones kleine Happen persönlicher Informationen preis. Häufig sind es bittersüße Erinnerungen, so wie jetzt. Er hat eine Frau geliebt, und sie haben darüber gesprochen, in eine Stadt zu ziehen, wo sie im Herbst das Laub zusammenharken und im Winter Schneemänner bauen können. Und jetzt ist er wegen einer Leiche hier. Träume entwickeln sich - aber nicht unbedingt zum Besseren.
»Dr. Johnston ist ein merkwürdiger Typ«, sage ich leise und wechsle das Thema.
»Ja.«
Dr. Johnston, der Gerichtsmediziner, ist Mitte vierzig und ein Riese. Kein Fett, sondern Muskeln. Seinen Bizeps könnte ich nicht mal mit beiden Händen umfassen. Seine Oberschenkel sind so dick, dass er seine Hosen wahrscheinlich maßschneidern lassen muss. Sein Haar ist wasserstoffblond und kurz geschoren. Sein Gesicht ist grobschlächtig und wirkt brutal. Seine große Nase ist mehrmals gebrochen und schief, und auf seiner Stirn pulst eine Ader wie ein lebendiges Metronom, ein faszinierender Anblick. Er könnte professioneller Bodybuilder sein oder ein Hufeisenverbieger vom Jahrmarkt.
Er ist ganz versunken in seine Arbeit an Lisa. Ich sehe, wie seine muskulösen Arme sich bewegen, während er ihren Brustkorb öffnet. Das Geräusch ist selbst durch die Scheibe hindurch beunruhigend. Als würde jemand Styroporbecher
Weitere Kostenlose Bücher