Das Boese in uns
zertreten. Ich kann nicht hören, was er sagt, doch seine Lippen bewegen sich unablässig, während er seine Befunde in ein Mikrofon diktiert, das über dem Untersuchungstisch hängt.
»Wie war Ihre Unterhaltung mit Mrs. Reid?«, erkundigt sich AD Jones.
»Gut. Schrecklich«, antworte ich und erstatte ihm Bericht. »Sie hatten recht. Ich meine, was den Grund angeht, aus dem sie nach Ihnen gefragt hat.« »Ja.«
Johnston beugt sich vor und schaut in Lisa. In sie hinein. Ich habe wesentlich schlimmere Dinge gesehen, doch aus irgendeinem Grund steigt bei diesem Anblick Übelkeit in mir auf.
»Was halten Sie bis jetzt von der Sache, Smoky?«
Ich weiß, warum Jones mir diese Frage stellt und was er hören will. Er möchte, dass ich das tue, was ich am besten kann. Dass ich meine besondere Gabe einsetze.
Ich mache diesen Job, weil ich eine spezielle Fähigkeit besitze: Ich begreife die Männer, die ich jage, kann mich in sie hineinversetzen. Es hat nichts mit Hellseherei oder anderen übernatürlichen Dingen zu tun, nehme ich an, doch wenn ich ausreichend Fakten kenne, formt sich in meinem Kopf nach und nach ein Bild. Ein dreidimensionales Bild, angereichert mit Emotionen und Gedanken und - am wichtigsten - mit Hunger. Ein Hunger, den ich in meinem eigenen Mund zu schmecken glaube. Dunkle Aromen, so fühlbar, dass ich sie beinahe herunterschlucken kann.
Ich habe mit talentierten Männern gearbeitet, darunter AD Jones, die mir geholfen haben, diese Gabe zu verfeinern. Mit der Zeit habe ich begriffen, dass es darauf ankommt, das Unnatürlichste von allem zu tun, nämlich dann genauer hinzusehen, wenn normale Menschen sich abwenden würden.
Es ist, als würde man in Öl tauchen. Es ist so trüb um einen herum, dass man nichts sehen kann, solange man untergetaucht ist, doch man spürt die Glätte, die einen umhüllt. Manchmal tauche ich zu tief. Manchmal macht es mir innerlich Angst, und manchmal lerne ich etwas Neues über mich selbst.
Vor fünf Jahren habe ich einen Mann gejagt, der ausschließlich junge brünette Frauen ermordete. Keine von ihnen war älter als fünfundzwanzig, und alle waren bemerkenswert schön. Selbst im Tod waren sie noch anziehend, sogar für mich, die ich selbst eine Frau bin. Sie waren wie geschaffen, Männern den Verstand zu vernebeln.
Der Psycho, der diese Frauen umbrachte, empfand das Gleiche. Er vergewaltigte sie und tötete sie dann mit bloßen Händen. Er prügelte sie zu Tode, langsam, methodisch, mit konzentrierter Hingabe. Es ist eine persönliche, sehr intime Art und Weise, ein anderes menschliches Wesen zu töten.
Ich stand über seinen Opfern und sah hin. Ich sah hin, und ich sah ihn. Den Killer. Ich sah weiter hin, bis ich ihn spüren konnte. Er war ein Mann im Blutrausch, in wilder Raserei, in einer überwältigenden Mischung aus sexueller Begierde und Wut. Letzten Endes, so wurde mir bewusst, wollte er Sex mit den Frauen, um den Mond vom Himmel zu schütteln.
Ich stand benommen da und stellte zu meinem Entsetzen fest, dass ich ein wenig feucht zwischen den Beinen war. Ich war zu tief hinabgetaucht. Ich hatte zu intensiv gefühlt, was er gefühlt hatte.
Ich stürmte ins nächste Badezimmer und kotzte mir die Eingeweide aus dem Leib.
So schlimm es auch gewesen sein mochte, es half. Ich wusste, dass wir nach einem Mann suchten, der besonnen und durchtrieben zugleich war und dennoch die Kontrolle über sich verlor, wenn er den richtigen Auslöser in die Hand bekam.
Wir fingen unseren Mann. Wir hatten seine DNA, doch meiner tiefen Einsichten wegen bekamen wir obendrein noch sein Geständnis. Stacy Hobbs war eine neue Agentin im FBI-Büro Los Angeles, und sie war genau das, was ich brauchte. Vierundzwanzig, brünett, eine Ablenkung für jeden Mann in dreihundert Metern Umkreis.
Ich ließ Stacy sich genauso anziehen und schminken wie die Frauen, die der Hurensohn umgebracht hatte. Ich sagte ihr, wie sie in der Ecke stehen musste, wie sie ihn anschauen, ihre Hüfte vorrecken und verführerisch lächeln sollte. Ich sagte ihr darüber hinaus, dass sie kein Wort sagen durfte.
Sein Name lautete Jasper St. James, und er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Ich sah, wie er die Fäuste ballte. Beobachtete, wie sein Mund sich öffnete. Seine Lippen verzogen sich wie die eines Vampirs. Er fing an zu schwitzen und murmelte leise vor sich hin.
»Hure. Miststück. Hure.« Immer wieder.
In vorangegangenen Befragungen war er so kühl gewesen, wie jemand nur sein konnte.
Ich schlug
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