Das Boese in uns
muss lächeln, wie immer. Ich werde einfach nicht immun gegen Callie. Ich glaube, nicht viele Leute schaffen das.
Callie kommt aus Connecticut und ist ein schlanker, langbeiniger, hochgewachsener Rotschopf mit dem Aussehen eines Models, und das scheint mit zunehmendem Alter eher besser zu werden. Sie ist gerade vierzig geworden und wenn überhaupt, ist sie heute noch attraktiver als vor fünf Jahren.
Callie ist sich ihrer Schönheit bewusst, und sie ist sich bei weitem nicht zu schade, diese Tatsache zu ihrem Vorteil zu nutzen. Doch letztendlich sind Äußerlichkeiten ohne Bedeutung für sie. Es ist ihr Verstand, den sie unendlich geschärft hat. Sie hat einen Master-Abschluss in Forensik mit Kriminologie als Nebenfach, und sie jagt seit mehr als zehn Jahren mit mir gemeinsam Serienkiller.
Callie hat einen Sinn für Humor, den nicht jeder zu schätzen weiß oder versteht. Ihre Angewohnheit beispielsweise, alles und jedes mit »Zuckerschnäuzehen« oder ähnlichen Begriffen anzureden, geht manchen Leuten auf den Geist. Ich nehme an, Callie hat es sich angewöhnt, um ihren Spaß zu haben und andere zu ärgern - vor allem Letzteres. Gerüchte besagen, dass sie einen Eintrag in der Personalakte hat, weil sie den Director des FBI, Mr. Rathbun höchstpersönlich, mit »Zuckerschnäuzehen« angeredet hat. Es würde mich nicht im Geringsten überraschen.
Callies Humor ist nicht böswillig. Er besagt nicht mehr und nicht weniger als: Wenn du dich selbst zu ernst nimmst, wirst du es in meiner Gegenwart schwer haben, also entspann dich ... Zuckerschnäuzehen.
Und dann gibt es noch die andere Seite von Callie. Die dunklere Seite, die Kriminelle zu sehen bekommen. Callie ist unbarmherzig in ihrer Suche nach der Wahrheit, denn die Wahrheit bedeutet ihr alles. Würde ich ein Verbrechen begehen, würde Callie mich jagen - obwohl sie mich liebt. Es wäre schmerzlich für sie, aber sie würde mich zur Strecke bringen. Alles andere würde ihrem ganzen Wesen widersprechen, und gerade Callie ist nicht der Mensch, der im Widerspruch mit sich selbst steht.
Sie hat beschlossen, Samuel »Sam« Brady zu heiraten, den Chef des Sondereinsatzkommandos beim FBI Los Angeles. Es ist ein Schachzug, der jeden überrascht hat. Callie ist jahrelang auf Männerfang gewesen und hat jede Beute, die sie dabei gemacht hat, in vollen Zügen genossen. Sie war ein weiblicher Schwerenöter. Emotionale Langlebigkeit war nie Bestandteil von Callies Beziehungen.
Sie ist unglaublich reserviert, was ihre privatesten Dinge angeht, doch ich kenne einige ihrer Geheimnisse. Beispielsweise ihre Medikamentensucht. Sie ist abhängig von Vicodin, ein Mittel, das sie seit einer Wirbelsäulenverletzung nehmen muss, die sie vor zwei Jahren erlitten hat und die sie beinahe verkrüppelt hätte. Ich weiß auch, dass Callie sich deshalb so gegen die enge Bindung zu einem Mann gesperrt hat, weil sie mit fünfzehn schwanger wurde und gezwungen war, ihr Kind wegzugeben. Inzwischen hat sie sich mit ihrer lange verloren geglaubten Tochter ausgesöhnt, und vielleicht ist das mit ein Grund, dass ihre Einstellung sich geändert hat. Ich weiß es nicht. Callie gewährt mir stets nur kurze
Einblicke in ihr geheimes Ich - kleine Schätze, die sie mir im Laufe der Jahre anvertraut hat.
Callies größte Geschenke an mich waren ihr unersättliches Verlangen, den Augenblick zu genießen, das Hier und Jetzt, und ihre unverbrüchliche Freundschaft. Ich kann mich auf Callie verlassen, immer und jederzeit. Sie war es, die mich in der Nacht gefunden hat, in der Joseph Sands meine Familie ausgelöscht hatte. Sie war es, die mir die Waffe entwand und mich ohne eine Sekunde des Zögerns an sich zog. Sie war es, die mich hielt, während ich weinte und schrie und ihren makellosen Anzug mit meinem Blut, meinen Tränen und meinem Erbrochenen ruinierte.
»Politischer Hokuspokus«, gehe ich nun auf ihre Frage ein. »Abgesehen davon mag ich die Kälte genauso wenig wie du.«
»So schlimm ist es gar nicht«, rumpelt eine tiefe Bassstimme. »Wenigstens liegt kein Schnee. Ich kann Schnee nicht ausstehen.«
Alan Washington ist das älteste und erfahrenste Mitglied meines Teams. Alan ist nicht direkt zum FBI gegangen, sondern hat zehn Jahre beim Morddezernat des Los Angeles Police Department gearbeitet. Er ist Afroamerikaner, ein beeindruckender Bursche, ein Berg von einem Mann, der an einen Football-Ver-teidiger erinnert oder an eine mächtige, knorrige Eiche - die Sorte Mann, die einen dazu bringt,
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