Das Boese in uns
war der Schlüssel.«
»Warte«, sagt Callie. »Es gibt eine weitere Möglichkeit.«
»Und die wäre?«
»Dass es willkürlicher Mord war. Vielleicht war der Ort ein entscheidender Faktor für den Täter. Er hat einen Mittelsitz gebucht und von vornherein geplant, den Passagier zu töten, der neben ihm am Fenster saß - und das war rein zufällig Lisa. Vielleicht hat der Täter ein Problem mit der Fluggesellschaft oder mit Flugreisen im Allgemeinen. Ich habe selbst schon das eine oder andere Mal Mordgelüste gegenüber einem unsympathischen Fluggast verspürt.«
»Möglich und definitiv ein bestürzender Gedanke«, räume ich ein. »Aber unwahrscheinlich. Die Tatsache, dass es Lisa Reid war - eine transsexuelle Person und Tochter eines Kongressabgeordneten und seiner Frau?« Ich schüttle den Kopf. »Das ist kein Zufall. Er liebt es, zu planen und zu kontrollieren. Die Auswahl eines Opfers ist ein integraler Bestandteil dieser Prozesse. Ich könnte mich irren, aber ... es fühlt sich für mich nicht nach Zufall an.«
Callie denkt darüber nach; dann nickt sie. »Ich glaube, du hast recht.«
Wir bewegen uns den Mittelgang hinunter. Die 737-800 hat die klassische Aufteilung, zwei Reihen zu je drei Sitzen auf jeder Seite. Die Luft ist kühl, aber noch nicht kalt. Flugzeuge sind gut isoliert. Wir treffen bei 20F ein.
»Wie weit ist die Spurensicherung gekommen, Callie?«, frage ich.
Sie blättert in der Akte. »Vollständige fotografische Erfassung des Tatorts sowohl vor als auch nach Entfernung der Leiche. Sie haben das Gepäck abgeholt. Es steht unten im Hangar. Das ist bis jetzt so ziemlich alles.«
»Irgendjemand hat sich ganz schnell eingeschaltet«, meint Alan.
Ich nehme mir einen Moment Zeit und schaue mich um. Nichts Außergewöhnliches. Keine Eingebung. Noch nicht. Das ist es. Das ist der Ort, genau hier, wo ein Mensch einen anderen ermordet hat. Ein Leben hat in diesem Sitz am Fenster geendet. Wenn man an die Seele glaubt - und das tue ich -, ist dies der Ort, wo die Essenz des Wesens Lisa Reid für alle Ewigkeit verschwunden ist.
Wie immer bin ich betroffen von der Unangemessenheit des Ortes, an dem der Tod eingetreten ist, berücksichtigt man die Wahrheit des Todes selbst. Ich habe einmal eine hübsche junge Frau gesehen, die im Dreck lag. Nackt. Jemand hatte sie erwürgt. Ihre Zunge hing aus dem geschwollenen, zerschlagenen Mund. Ihre offenen Augen starrten zum Himmel hinauf. Sie hatte noch immer einen Rest ihrer einstigen Schönheit, doch er verblasste rasch. Obwohl sie tot war, versank alles andere neben ihr in Bedeutungslosigkeit. Es gab keinen Dreck, keinen Wald, keinen Boden, keinen Himmel, nichts außer ihr. Es gibt auf der ganzen Welt keine Leinwand, die ein beendetes Leben einfangen könnte. Der Tod ist sein eigener Rahmen.
»Da ist Blut auf dem Sitzpolster«, sagt Callie und reißt mich aus meinen Gedanken. »Am einfachsten wäre es, das ganze Polster mitzunehmen, ihres, seins, und dann nach Fingerabdrücken zu suchen. Das wäre eine gute Vorgehensweise. Allerdings nur, wenn unser Freund keine Handschuhe getragen hat. Anschließend alles mit dem Staubsauger absaugen. Das wär's mehr oder weniger, wenn ihr mich fragt.«
»Ich könnte mir vorstellen, er hat irgendetwas mitgenommen«, wirft James ein.
Ich drehe mich zu ihm um. »Und was?«
»Eine Trophäe. Er hat das Kreuz in ihrem Körper zurückgelassen. Also hat er wahrscheinlich auch etwas von ihr mitgenommen. Er hat ein Faible für Symbole.«
Nicht alle Serienkiller nehmen Trophäen, aber ich muss James beipflichten.
»Es könnte alles Mögliche gewesen sein«, sagt Alan. »Schmuck ... etwas aus ihrer Brieftasche ... eine Haarlocke ...« Er zuckt die Schultern. »Irgendwas.«
»Wir sehen uns ihre Habseligkeiten an und versuchen herauszufinden, ob etwas fehlt«, sage ich.
»Es wird immer kälter, Süße«, sagt Callie. »Wie sieht dein Schlachtplan aus?«
Callie hat recht. Ich habe eine erste Witterung von diesem Psycho aufgenommen, doch hier gibt es sonst nichts, das mir weiterhelfen könnte.
»Du und James, ihr bleibt hier und nehmt euch den Tatort vor. Ruft mich an, sobald ihr fertig seid. Alan, du setzt mich bei Lisas Wohnung ab. Anschließend befragst du die Zeugen ... Stewardessen, Passagiere, jeden Einzelnen. Versuch außerdem herauszufinden, wie der Kerl sein Flugticket gekauft hat. Hat er bar bezahlt? Mit einer Kreditkarte? Falls er eine Kreditkarte benutzt hat, dann wahrscheinlich mit einer falschen Identität. Wie
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