Das Boese in uns
geschäftsmäßigen Ausdruckslosigkeit. Es ist ein respektvolles Lächeln, eine Anerkennung meiner nicht ganz subtilen Art, keine Namen zu nennen.
»Schön, Agentin Barrett«, sagt sie, und jetzt tritt sie zurück. Sie greift in ihre Innentasche, und ich erhasche einen kurzen Blick auf ihre Waffe, die in einem Schulterhalfter steckt. Sie zückt eine schlichte weiße Visitenkarte und reicht sie mir. Auf der Karte steht »Hinson« in schwarzer Schrift, gefolgt von einer Telefonnummer und einer E-Mail-Adresse. Weiter nichts.
Ich sehe sie an. »Kurz und bündig, würde ich sagen.«
Sie zuckt die Schultern. »Ich kann an zwei Händen abzählen, wie oft ich diese Karte ausgegeben habe. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie irgendetwas brauchen. Sie erreichen mich zu jeder Tagesund Nachtzeit unter dieser Nummer, sieben Tage die Woche.«
Sie wendet sich um und geht ohne ein weiteres Wort; ihre flachen Absätze klackern über den kalten Beton des Hangars.
Die erste Runde ist an mich gegangen, doch ich muss an AD Jones' Warnung denken, und ich bin absolut sicher, dass er recht damit hatte.
»Hmmm«, macht Alan. »Was soll man zu so einer sagen? Unangenehm? Angsteinflößend? Oder beides?« »Nimm sie als das, was sie ist«, sage ich leise.
»Und das wäre?«
»Nützlich. Nützlich zu sein ist ihre höhere Bestimmung. Und jetzt lass uns endlich unseren Tatort in Augenschein nehmen.«
»Ich war noch nie in einem völlig leeren Flugzeug«, sagt Callie.
»Es ist irgendwie unheimlich.« »Zu still«, bemerkt Alan.
Beide haben recht. Unter normalen Umständen haben Flugzeuge ihre eigene Lärmkulisse, wie eine leise murmelnde Menge. Hier aber herrscht Grabesstille.
»Was ist das überhaupt für eine Maschine? Eine 727?«, fragt Alan.
»Eine 737-800«, sagt James. »Mittelgroß, schlanker Rumpf, hundertzweiundsechzig Passagiere in zwei Klassen. Länge neununddreißig Meter, Flügelspannweite vierunddreißig Meter. Leergewicht einundvierzig Tonnen. Reichweite voll beladen fünfeinhalbtausend Kilometer bei einer Reisegeschwindigkeit von ungefähr Mach null Komma sieben.«
Alan verdreht die Augen. »Danke, Besserwisser.«
»Wo hat sie gesessen?«, frage ich.
Alan schaut in die Akte. »Zwanzig F. Ein Fensterplatz.«
Ich runzle die Stirn. »Eine Frage dazu: Wie hat unser Freund es hingekriegt, einen Sitzplatz direkt neben ihr zu ergattern? Da musste er doch vorher wissen, wo sie sitzen wird. Wir müssen herausfinden, wo und wie sie ihren Flug gebucht hat.«
»Es gibt zu viele Unbekannte in der Gleichung«, bemerkt James.
Ich sehe ihn an. »Soll heißen?«
»Die Art und Weise des Mordes. Das kann nur funktionieren, wenn sie einen Fensterplatz hat.« Er nimmt Alan die Akte aus den Händen und zieht ein Foto hervor. »Er hat sie gegen das Fenster gelehnt zurückgelassen, mit einer Decke über dem Kopf, als würde sie schlafen. Das hätte nicht funktioniert, hätte sie in einem Mittelsitz gesessen, oder am Gang.«
»Und?«
»Worauf ich hinaus will ... es gibt eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten, wie er herausgefunden haben könnte, wo sie sitzt. Er könnte jemanden bestochen oder sich ins System gehackt haben. Anschließend könnte er den Sitzplatz neben ihr reserviert oder den Passagier, der ursprünglich dort sitzen sollte, zum Tausch überredet haben - sucht es euch aus. Allerdings gibt es seit dem elften September praktisch keine Möglichkeit mehr, in dieser Richtung irgendetwas im Voraus zu arrangieren. Beispielsweise, dass man auch wirklich einen Fensterplatz bekommt.«
Jetzt begreife ich, was James sagen will. »Er hat deiner Meinung nach also nicht von vornherein geplant, sie im Flugzeug zu töten.«
Er nickt. »Bestimmt nicht.«
Es ist ein winziges Detail, doch es ist eines von den Puzzlesteinchen, die uns dabei helfen, jenen Mann zu sehen, der das getan hat.
Er hat damit angefangen, dass er die Entscheidung traf, Lisa Reid zu töten - nicht damit, sie an Bord eines Flugzeugs zu töten. Er hat sie beobachtet, ist ihr nachgeschlichen, hat Informationen über sie gesammelt. Er fand heraus, dass sie eine Reise unternehmen wollte, dass sie einen Fensterplatz im Flugzeug hatte - und erst dann, nicht vorher, begann er an seinem Plan zu arbeiten, sie an Bord zu töten. Wären die Ereignisse nicht so abgelaufen, wie er es gebrauchen konnte, hätte er Lisa woanders umgebracht.
»Der Ort war von Bedeutung für ihn«, überlege ich laut, »aber er war keine Bedingung. Lisa war der bedeutsamere Faktor. Sie
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