Das Boese in uns
schnell keinen Fehler machen, der uns auf seine Spur bringt.«
»Einen Fehler hat er aber schon gemacht. Er hat uns verraten, dass er existiert.«
»Zugegeben. Aber das war Absicht. Wir tappen weiterhin im Dunkeln.«
Alan lächelt matt. »Du bist immer wieder die große Zynikerin, wenn wir einen neuen Fall haben. Trotzdem endet es jedes Mal damit, dass wir den Schweinepriester fassen.«
»Wirklich? Dann lass mich wenigstens einen Moment meinen Pessimismus genießen.«
Er lacht. Mein Handy summt, und meine Stimmung hebt sich ein wenig, als ich auf dem Display sehe, wer der Anrufer ist.
Tommy Aguilera ist seit gut zwei Jahren mein Freund. Er ist ehemaliger Agent des Secret Service, der sich als privater Ermittler und Security-Berater selbstständig gemacht hat. Ich habe Tommy kennengelernt, als er noch beim Secret Service war. Tommy war einem Burschen als Leibwächter zugeteilt worden, der sich als mörderischer Hurensohn erwies. So geriet Tommy in die Situation, den ihm anvertrauten »netten jungen Mann« erschießen zu müssen. In dem sich anschließenden Feuersturm, den die Medien anheizten, verhinderte allein meine Aussage, dass Tommy ins Gefängnis musste oder Schlimmeres. Er hatte mir damals gesagt, ich solle mich bei ihm melden, wenn er jemals etwas für mich tun könne.
Ein paar Jahre später verließ er den Secret Service. Ich weiß immer noch nicht warum. Er würde es mir wahrscheinlich verraten, würde ich ihn danach fragen. Aber das habe ich nie getan, und er hat nie von sich aus damit angefangen. Nicht dass Tommy kalt wäre, er ist bloß wortkarg bis zum Gehtnichtmehr.
Ich hatte Tommy beim Wort genommen, als ich einen extrem schwierigen Fall am Hals hatte, und ihn um Hilfe gebeten. Er war zu mir nach Hause gekommen und hatte meine Wohnung nach Wanzen abgesucht (und welche gefunden; außerdem noch einen GPS-Tracker an meinem Wagen). Es war nicht geplant, doch es endete damit, dass ich ihn küsste, und er überraschte mich damit, dass er meinen Kuss erwiderte.
Mein Mann war damals erst sechs Monate tot gewesen, und mein Körper war entstellt von Narben. Ich fühlte mich innen wie außen hässlich, und ich litt immer noch Höllenqualen. Tommy aber nahm mich in die Arme und gab mir das Gefühl, trotz allem begehrenswert zu sein. Es war ein sehr befriedigendes Erlebnis, in körperlicher und seelischer Hinsicht.
Tommy ist ein wunderbarer Mensch. Er ist Latino, schwarzhaarig, braunhäutig und dunkeläugig, aber kein wirklich hübscher Kerl, allein schon wegen der großen Narbe auf der rechten Schläfe und dem kantigen, energischen Unterkiefer. Außerdem ist er ein Riese von einem Mann mit den rauen Händen eines Bauarbeiters und dem Körper eines Schwergewichtlers. Tommy ist ein wundervoller Anblick, ob er nun angezogen oder nackt ist, und Sex mit ihm kann rau und schmerzhaft sein oder sanft und voller Wonne. Im Bett ist er ein unermüdlicher Quell sexueller Freuden.
»Hey«, sage ich, als ich Tommys Anruf entgegennehme.
»Hey«, antwortet er. »Bist du immer noch im Lande unterwegs?«
»Nein. Ich bin gerade auf dem Weg nach Hause.« »Lust auf Gesellschaft?«
»Ja, bitte. Wie wär's, wenn du mir eine Fußmassage gibst? Ich brauche dringend ein bisschen Entspannung.« »Klar. Wir sehen uns dann.«
Ich lege auf und merke, wie ich leise vor mich hin summe. Erschrocken breche ich ab und werfe einen verstohlenen Seitenblick zu Alan. Er scheint sich voll und ganz auf die Straße zu konzentrieren, bis er unvermittelt sagt: »Dieser Typ scheint dich glücklich zu machen.«
»Er ist okay.«
»Hmmm.«
Ich schaue Alan von der Seite an. »Was?«
»Es geht mich ja nichts an, Smoky, aber vielleicht solltest du aufhören, diese Sache unter Vorbehalt zu sehen. Du verdienst es, glücklich zu sein. Aber sollte er nicht erfahren, dass er dieses Gefühl in dir weckt? Das hat er doch auch verdient.«
Ich bin überrascht von der Heftigkeit des Zorns, der plötzlich in mir aufsteigt. Mir liegt eine bissige Antwort auf der Zunge, die ich mir im letzten Moment jedoch verkneife.
»Ich werde darüber nachdenken«, sage ich stattdessen.
»Na, na.« Es ist eine sanfte Ermahnung, wie eine freundliche Hand unter dem Kinn, die meinen zögernden Blick zu ihm lenkt. »Ich meine doch nur ... Ich freue mich, dass du endlich wieder lächeln kannst, wenn du an einen Kerl denkst.«
Die Wut verfliegt.
»Ja. Ich auch.«
Kapitel 14
Ich drehe den Knauf, öffne die Tür und finde vor, was ich erwartet habe: die Ruhe und
Weitere Kostenlose Bücher