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Das Boese in uns

Das Boese in uns

Titel: Das Boese in uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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Augen sind voller Wärme, voller Mitgefühl, wie ich es noch nie vorher bei ihm gesehen habe. Ich habe einen freundlichen Tommy gesehen, einen wütenden Tommy, einen ärgerlichen Tommy, einen nachdenklichen Tommy und einen tödlichen Tommy. Das hier ist ein neuer Tommy: Verständnis und Mitgefühl ohne süßliche Falschheit.
    Das ist der liebende Tommy, wird mir bewusst.
    »Du hast einen Mann geliebt, Smoky. Du hast Matt kennengelernt, als ihr beide noch Teenager wart, und du wusstest, dass er der Eine war. Du hast nie daran gezweifelt, hast dich nie gefragt, ob es ein Irrtum ist. Du hast nie nach etwas anderem verlangt. Du hast ihn durch eine Tragödie verloren und nicht, weil du oder er es so gewollt hätte. Es ist logisch, dass dich das nicht ohne Weiteres loslässt. Ich verstehe, dass du im Moment keine Antwort hast. Ich möchte nur, dass du darüber nachdenkst und dir überlegst, wie deine Antwort aussieht.«
    Die Worte, das Mitgefühl darin, das völlige Fehlen von Hintergedanken sind wie ein Schlag in den Magen. Sie rauben mir den Atem. Eine Träne kullert über die unvernarbte Seite meines Gesichts. Tommy streckt die Hand aus und wischt sie mit dem Daumen so behutsam ab, wie er kann.
    »Nicht weinen, Baby.«
    Er hat mich noch nie so genannt. Baby. Er hat noch nie ein so persönliches Kosewort benutzt, und es öffnet mich auf eine Weise, die ich selbst nicht begreife. Ich dränge mich in seine Arme und heule mir an seiner Brust die Augen aus. Es ist keine schlimme Trauer, keine Verzweiflung darin. Es ist ein Gewittersturm, der sich über mir zusammengebraut hat, Wolken, die sich leeren müssen, weil sie zu schwer geworden sind. Ich heule noch eine Zeit lang, während Tommy mich hält, bis die Tränen versiegen und sich in ein Schniefen verwandeln. Er sagt nichts und streichelt mein Haar. Mir wird bewusst, dass ich für immer so bleiben könnte, an ihn gekuschelt, wäre das alles, was er von mir will.
    Aber genau da liegt das Problem. Er will nicht nur das. Er will alles.
    Ich löse mich von ihm und wische mir mit dem Handrücken über die Augen.
    »Und wie geht es mit uns in der Zwischenzeit weiter?«, frage ich mit vom Weinen rauer Stimme.
    Seine Augen sind ein wenig traurig. »Wir müssen eine Weile getrennt verbringen. Du musst nachdenken, musst das verarbeiten. Und ich kann nicht mit dir schlafen, bis es so weit ist.«
    »Was? Warum?«
    Es ist eine kindliche Frage. Die Wahrheit ist, ich kenne den Grund ganz genau.
    »Ich kann nicht mit einer Frau schlafen, der ich gesagt habe, dass ich sie liebe, ehe ich nicht weiß, ob sie das Gleiche für mich empfindet. Es ist keine Bestrafung und kein Ultimatum. Es ist einfach so, dass ich nicht mit einer Frau zusammen sein kann, die weniger für mich empfindet als ich für sie.«
    Ich starre ihn lange Zeit an. »Ja.« Ein tiefer Seufzer. »Ich könnte auch nicht mit dir zusammen sein, wäre es anders herum.«
    Er beugt sich vor und nimmt mein Gesicht in beide Hände. Es sind starke Hände, raue Hände, weich an manchen Stellen, schwielig an anderen. Er bringt seine Lippen auf die meinen, und der Kuss ist Perfektion. Tief, leidenschaftlich, Cambianca pur. Er macht mich atemlos und lässt erneut die Tränen in mir aufwallen.
    Er steht auf.
    »Du weißt, wo du mich findest.«
    »Tommy!«, rufe ich ihm hinterher, als er zur Tür geht. »Deine Integrität ... die ist richtige Scheiße.« Er antwortet nicht. »Tommy?«
    Er bleibt stehen, dreht sich um und sieht mich an. »Ja?« Ich bringe ein Lächeln zustande. »Ich glaube trotzdem, es ist etwas Gutes.«
    Er erwidert mein Lächeln, tippt sich mit den Fingerspitzen an eine imaginäre Hutkrempe, und dann ist er fort.
    Ich bin wieder allein mit all meinen Widersprüchen. Sie sind wie Fledermäuse, die sich flatternd und fiepsend in mein Haar krallen. Ich ziehe die Knie ans Kinn, schlinge die Arme um die Schienbeine und schaukle langsam vor und zurück, vor und zurück.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Die Tränen kommen wieder, heiße galoppierende Pferde hinter meinen Augen. Und ich habe keine Eiskrem im Haus.
    Hey, sagt meine innere Stimme ein wenig durchtrieben. Du hast immer noch ein wenig Jose Cuervo im Küchenschrank versteckt.
    Ich ignoriere die Stimme und halte mich an meine zuverlässigste Freundin: das Heulen. Nach Matts und Alexas Tod habe ich einen großen Teil meiner Zeit mit dieser Freundin verbracht. Und so hängen wir auch diesmal ein paar Minuten miteinander herum, ein heulendes Elend, ehe ich sie

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