Das Boese in uns
wieder in die Wüste schicke.
Ich lehne mich auf dem Sofa zurück und starre schniefend an die Decke. Ich fühle mich leer und hundeelend.
Was ist eigentlich dein Problem? Tommy ist ein guter Mann. Nein, Quatsch - Tommy ist ein großartiger Mann. Er ist ehrlich, er ist loyal, er ist mordsmäßig sexy und er liebt dich! Es ist schließlich nicht so, als hättest du die große Auswahl.
Doch es geht nicht um Tommy, soviel ist mir bewusst. Es geht nicht um die Gegenwart. Es geht um die Vergangenheit.
Sicher, es gab mal eine Zeit, da fühlte sich allein der Gedanke, mit einem anderen Mann zusammen zu sein, wie ein Betrug an Matt an. Matts Geist war überall. Hier im Wohnzimmer, in der Küche, im Bett neben mir. Doch Matt ist nur noch eine schöne, blasse Erinnerung und längst kein Phantom mehr.
Abgesehen davon weiß ich, dass Matt sich für mich freuen würde, dass er mich wieder glücklich sehen will.
Und? Was dann?
Nun, da wäre Bonnie ...
Ich schüttle den Kopf.
Nein. Schieb nicht ihr die Schuld zu.
Eines der letzten Überbleibsel aus Bonnies Kindheit ist ihre Vorliebe für die Zeichentrickserien im Fernsehen am Samstagmorgen. Sie verpasst nie eine Sendung, und wenn Tommy da ist, steht er auf, und sie schauen sich die Filme gemeinsam an. Ich teile ihre Liebe für den frühen Morgen nicht, doch ich bin mehr als einmal die Treppe hinunter in Richtung Kaffeekanne getaumelt und habe die beiden beobachtet, wie sie gelacht haben, während Wile E. Coyote schreckliche Dinge zustoßen. Ich weiß nicht, ob ich es eine Vater-Tochter-Beziehung nennen würde, die die beiden entwickelt haben - noch nicht -, doch Bonnie mag Tommy sehr, und sie weiß, dass er sie ebenfalls mag.
Die Wahrheit ist, so wird mir bewusst, dass ich niemanden außer mir selbst für diesen Albtraum verantwortlich machen kann.
Aber warum ?
Ein Wort steigt aus den dunkleren Tiefen meiner Seele empor wie Schwefeldampf aus einem Riss in der Erdkruste. Bestrafung.
Ich drehe das Wort in Gedanken hin und her, untersuche es auf seinen bitteren Geschmack und staune über die Andeutung von Schrecken, die es mit sich zu bringen scheint.
Bestrafung? Aber wofür?
Das weißt du sehr genau. Für das Unverzeihliche, das du getan hast, nachdem Matt und Alexa gestorben waren. Diese Sache, von der keine Menschenseele etwas weiß, nicht einmal Callie.
Ich klatsche in die Hände. Das Geräusch ist erschreckend in dem leeren Haus. Wie ein Gewehrschuss. Ich klatsche erneut. Peng!
Wir denken nicht daran, nein, nein. Nicht jetzt. Nicht jetzt, und vielleicht niemals. Auf keinen Fall!
Meine innere Stimme stockt. Ich empfinde jetzt Trauer, keine Durchtriebenheit.
Schön, meinetwegen. Aber das ist der Grund dafür, dass du Angst hast, Tommy zu lieben. Du glaubst, du hast nicht das Recht, überhaupt jemanden zu lieben.
Ich habe keine Antwort darauf. Sie ist auch nicht erforderlich. Die Wahrheit hat die lästige Eigenschaft, meistens das letzte Wort zu haben.
Ich stehe auf und gehe in die Küche. Ich brauche eine Ablenkung, jetzt, jetzt, jetzt. Jose Cuervo ist genau das Richtige, danke sehr.
Ich nehme die Flasche aus ihrem Versteck ganz oben im Küchenschrank und schenke mir ein. Ich hebe das Glas zu einem trotzigen Toast.
»Auf die Wahrheit, dass die Wahrheit eben nicht immer frei macht.«
Der Tequila läuft durch meine Kehle wie Abbeizer, und mehr ist es auch nicht. Die Hitze breitet sich in meinem Magen aus und bringt einen Ansturm von Zufriedenheit mit sich. Ich stelle die Flasche zurück und säubere das Glas, um sicher zu sein, dass ich keine Spuren von diesem kleinen Geheimnis hinterlasse. Ich bin zu diszipliniert, um ein Trunkenbold zu werden, doch ich trinke in solchen Momenten der Schwäche - was mir jedes Mal unausweichlich Schamgefühle beschert und das Bedürfnis, mein Trinken zu verheimlichen.
Die Bitterkeit, jener nervöse Geschmack von Angst und Bestürzung, ist durch den Alkohol jedoch nicht ausgelöscht, nur unscharf geworden. Die scharfen Kanten sind nun in weichen Schaumgummi gehüllt. Das muss für den Augenblick reichen.
»Als nächsten Trick«, murmle ich zu mir, während ich zurück ins Wohnzimmer gehe, »wenden wir uns meiner längsten und zugleich am meisten geliebten Sucht zu.«
Arbeit.
Arbeit, süße, wunderbare Arbeit. Wenn man einen Job hat, einen sinnvollen Job, besteht einer der vielen Vorteile darin, dass man sich darin versenken kann, sollte sich die Notwendigkeit ergeben. Das Grillenzirpen kann genauso verführerisch wie
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