Das Boese in uns
du?«
»Näher als du denkst.«
Es klopft an meiner Haustür.
»Kleines Schweinchen, kleines Schweinchen, lass mich rein.« Ich stöhne auf. Mir ist heute Morgen nicht danach, Callie zu sehen - oder sonst jemanden. Absolut nicht. »Ich komme«, seufze ich.
Wir sitzen am Esstisch. Ich habe meinen Kaffee zur Hälfte intus, und das Leben erscheint allmählich wieder ein wenig hoffnungsvoller.
Callie sitzt mir gegenüber und genießt ihre eigene Tasse. Ich mustere sie und staune wie immer über ihre Fähigkeit, in jeder Situation gut auszusehen. Ich bin diejenige, die vergangene Nacht geschlafen hat, und nun sitze ich hier in zerknitterten Klamotten, und meine Haare sehen aus, als wäre ein Hurrikan hindurchgetost. Callie hingegen sieht aus, als käme sie geradewegs von einem Tag in einem Wellness-Hotel zurück.
Sie greift in die Jackentasche und nimmt eine Schmerzpille. Was mich in die Realität zurückbringt. Ich trinke einen Schluck Kaffee und schaue ihr prüfend in die Augen. Sie ist gut verborgen, die Erschöpfung, doch sie ist da, schwimmt in den Schatten, sichtbar ausschließlich in dem richtigen Licht.
»Fühlt unser miesepetriges Häschen sich jetzt ein wenig besser?«, fragt Callie.
»Ein wenig. Wann seid ihr zurückgekommen?«
»Damien und ich sind vor zwei Stunden gelandet. Wir benutzen die FBI-Labors, um unseren kleinen Schatz an Spuren zu analysieren.« Sie hebt ihre Tasse zu einem spöttischen Toast. »Anschließend kann ich mich endlich wieder darum kümmern, dass meine Hochzeit zurück in die Spur kommt.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Ist sie denn aus der Spur?«
»Nichts Dramatisches, aber es wäre möglich, dass Kirby ein bisschen mehr Aufsicht benötigt.«
»Was ist passiert?«, frage ich. Mir schwant nichts Gutes.
»Es gab ein paar Probleme mit dem Kuchen. Kirby hat in meinem Sinne gehandelt, war aber ein bisschen zu energisch. Sie hat im Grunde gar nichts getan, aber sie hat dem Konditor zu viel von ihrem wahren Gesicht gezeigt.«
»Aha«, sage ich.
Kirbys wahres Gesicht ist furchteinflößend. Sie ist eine durch und durch fröhliche, charmante Person - es sei denn, sie beschließt, jede Menschlichkeit aus ihren Augen zu verbannen. In diesem Moment fühlt man sich, als würde man von einem ausgehungerten Raubtier angestarrt.
»Sie wollten mir schon die Anzahlung zurückgeben, doch Sam hat sie umstimmen können. Tja, wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.« Callie stellt ihren Becher ab und beugt sich vor. »Und jetzt erzähl mir, was mit Tommy passiert ist.«
Für einen Moment erwäge ich, ihr zu sagen, sie solle sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern, aber dann wird mir klar, dass es vergeblich wäre. Albern. Lächerlich.
»Er hat mir gestanden, dass er mich liebt.«
»Ehrlich?«
»Ja.«
Callie lehnt sich im Stuhl zurück, plötzlich in sich gekehrt.
»Hm«, sagt sie nach ein paar Sekunden. »Ich kann mir vorstellen, warum das schwierig ist für dich.«
Das ist das andere Gesicht von Callie, und es ist einer der Gründe, warum sie meine Freundin ist. Sie hat ein verdammtes Lästermaul und keinen Respekt vor niemandem, doch sie weiß, wann es Zeit ist, ernst zu werden.
»Ich weiß nicht, warum es so schwierig ist. Aber es ist schwierig«, sage ich, und das ist nur zum Teil gelogen.
»Ist es wegen Matt?«, fragt Callie. »Weil Matt nämlich absolut kein Problem haben würde wegen dir und Tommy, weißt du?«
Callie kannte Matt und liebte ihn. Sie lud sich häufig zum Abendessen bei uns ein. Sie konnte nicht genug bekommen von Matts Tacos.
»Ich weiß. Das ist es ja gerade. Ich habe kein Problem, was Matt und Alexa angeht. Ich erinnere mich an sie, und ich bin froh, dass es so ist. Es bringt mich nicht mehr um.«
Callies Stimme ist sanft. »Es ist Zeit, dass du weiterziehst, Smoky.«
Ich sehe ihr in die Augen. Callie hat alles mit mir durchgemacht, einfach alles. Sie weiß nichts von meinem einen Geheimnis, dem großen Mysterium, das ich vor mir selbst verschweige, doch alles andere weiß sie.
»Kann ich dich etwas fragen, Callie?«
»Klar. Nur raus damit.«
»Warum heiratest du? Ich meine, ich weiß natürlich, warum die Menschen heiraten, aber ... was hat sich geändert? Du warst immer eine einsame Wölfin.«
Sie fährt mit einem burgunderroten Fingernagel über den Rand ihres Kaffeebechers. »Eine einsame Wölfin, keine Einzelgängerin. Das ist ein großer Unterschied. Und ich musste sicher sein, absolut sicher. Wölfe paaren
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