Das Boese in uns
Wunder, erteilte er mir die Absolution. Er sagte mir, Gott würde mir vergeben, und ich glaube ihm. Gott ist wirklich nicht das Problem, wie mir immer mehr bewusst wird. Ich bin nur nicht sicher, ob ich bereit bin, mir selbst zu verzeihen. Aber ich versuche es. Ich versuche es wirklich ...«
Der Mann legt das Blatt vor sich auf den Tisch und faltet erneut die Hände. Daumen und Zeigefinger reiben weiterhin die Perlen des Rosenkranzes.
»Dexter Reid hat also der Welt ein Geheimnis enthüllt - seinen Wunsch, eine Frau zu sein. Doch er hielt ein weiteres Geheimnis zurück, das mit sehr viel mehr Schande verbunden war, zumindest für ihn selbst. Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, wie es so schön heißt. Leicht zu sagen, schwer zu tun, notwendig für die Erlösung ...
Ein weiteres Beispiel gibt uns der Tod von Rosemary Sonnenfeld.«
Schwarzblende.
»Ist das ungute Gefühl gerechtfertigt, das mich gerade überkommt?«, frage ich Alan. »Ja.«
»Dann weiter.«
Alan klickt den nächsten Clip an.
Diesmal verkündet die weiße Schrift: »Tod und Sünde der Rosemary Sonnenfeld.«
»Rosemary war der Inbegriff einer Sünderin«, intoniert der Mann. Er klingt nicht sonderlich abschätzig, eher nüchtern. Er sagt einfach, wie es ist. »Sie verbrachte ihre Jugend mit Sex, Drogen und Perversion. Am tiefsten Punkt angelangt, ließ sie Gott in ihr Leben ein und beichtete ihm ihre Vergangenheit. Sie enthüllte ihre dunklen Geheimnisse und versuchte fortan, auf dem rechten Weg zu bleiben. Doch wie Dexter Reid hatte auch Rosemary ein zweites, tieferes Geheimnis, eine verborgene größere Sünde. Sehen Sie selbst.«
Ein Schnitt, und der Videoclip zeigt eine Frau, das Gesicht über einer Linie Kokain, einen Strohhalm in der Hand. Sie ist nackt, und sie zittert. Ich erkenne Rosemary. Sie beugt sich vor, schnupft das Kokain.
»Noch mehr«, befiehlt eine Stimme im Hintergrund. Es ist die Stimme des Mannes in den Clips.
Rosemary blickt auf. Ihre Augen sind wirr, doch ich sehe die Angst darin.
»Wenn ich weitermache, sterbe ich«, lallt sie.
»Stimmt«, sagt die Stimme. »Und wenn du es nicht tust, schieße ich dir die Kniescheiben weg und schneide dir die Brüste ab, und dann stirbst du auch, aber es ist sehr viel schmerzhafter und dauert länger.« Eine Pause. »Also, weiter.«
Ein Ausdruck von Resignation huscht über Rosemarys Gesicht. Sie beugt sich wieder über das Kokain und nimmt eine weitere riesige Prise. Es scheint nicht aufzuhören. Der Strohhalm rutscht ihr aus den Fingern, ihr Kopf schnappt nach hinten, die Augenlider flattern, das Haar hängt im Rücken. Es ist eine abscheuliche Art von Kunst. Die Ästhetik des nahenden Todes.
»Jetzt leg dich zurück«, sagt der Mann mit beruhigender Stimme. »Leg dich zurück, meine Tochter.«
Eine behandschuhte Hand kommt ins Bild und stößt ihren nackten, zitternden Leib auf das Bett. Rosemary lächelt, beißt sich auf die Unterlippe. Auf ihrer Stirn zeigen sich kleine Schweißperlen. Sie ist das Bild einer Frau, die ganz dicht vor etwas Ekstatischem, Wundervollem steht. Wieder und wieder presst sie die Oberschenkel zusammen wie jemand, der versucht, einen Orgasmus zu unterdrücken.
»Erzähl uns von Dylan, Rosemary.«
Das Pressen endet, und sie scheint in die Wirklichkeit zurückzukehren. Sie runzelt die Stirn, erschauert, fängt an zu schwitzen.
»Wo-woher wi-wissen Sie ...? Wi-wie ...? Der einzige M-Mensch, mit dem ich da-darüber gesprochen habe, war m-mein ...«
»Ich weiß, Rosemary«, unterbricht er sie. »Du stirbst. Tritt mit der Wahrheit auf den Lippen vor deinen Schöpfer. Erzähl uns von Dylan. Er war dein Bruder, ist es nicht so?«
»J-ja. Bruder. Wu-wunderbarer Bruder.«
»Wie alt war Dylan?«
Sie zuckt krampfhaft und schließt die Augen. »Dreizehn«, zischt sie. »Und wie alt warst du?«
»Fünfzehn fünfzehn fü-fü-fünfzehn«, sagt sie in einem Singsang.
»Erzähl uns alles, Rosemary. Erzähl uns, erzähl Gott, was du mit dem wunderbaren Dylan getan hast.«
Eine lange Pause, und jetzt zittert sie richtig. Ihr Atem wird flacher, geht schneller.
Sie hat nicht mehr viel Zeit, schießt es mir durch den Kopf.
»Ich bin eines Nachts in sein Bett geschlichen und habe seinen Schwanz gelutscht«, krächzt sie, diesmal ohne zu stocken. »Ich habe ihn gelutscht, und er konnte nicht anders, als mich machen zu lassen. Ich habe ihn wieder hart gelutscht, und dann hab ich ihn gefickt.«
»Und was ist am nächsten Tag passiert,
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