Das Boese in uns
zuerst vor mich und dann zur Rechten Gottes zu bringen. Ich werde in den nächsten zwei Tagen erneut töten, und diesmal wird es ein Kind sein.«
»Verdammt!«, flucht Alan unterdrückt.
Wieder dieser erstarrte Augenblick. Die Welt hört auf sich zu drehen. Die Grillen zirpen in meinen Adern. Ich bezweifle nicht eine Sekunde, dass er die Wahrheit sagt, und noch weniger, dass er seine Drohung in die Tat umsetzt.
»Das ist für den Augenblick alles. Mir ist bewusst, dass die Medien mir in unserer heutigen Zeit einen Künstlernamen geben wollen. Ich auf der anderen Seite will nicht, dass irgendein Geistesblitz eines Journalisten vom Zweck meiner Botschaft ablenkt. Also machen wir es so: Nennen Sie mich den >Prediger<.«
Schwarzblende.
Alle schweigen.
»Der Prediger also«, sagt Callie schließlich sarkastisch. »Was für ein aufgeblasenes Arschloch.«
»Rosemary hat gesagt: >Der einzige Mensch, mit dem ich darüber gesprochen habe, war mein .. .< Was für ein Mensch?«, frage ich.
»Jemand aus ihrer Kirche?«, meint Alan.
Ich runzle die Stirn. »Das würde nicht viel Sinn ergeben. Hast du ihr Gesicht gesehen? Null Wiedererkennen. Sie hatte keine Ahnung, wer dieser Kerl war. Es ist eine kleine Kirche mit einer eng verflochtenen Gemeinde.«
»Damit scheidet Vater Yates aus«, stellt Alan fest. »Aber was wäre mit einer Selbsthilfegruppe?«
»Was für eine denn? Die Anonymen Kokser oder was?«, fragt Callie.
»Es wäre zumindest eine größere Gruppe von Leuten«, erwidert Alan. »Da ist es schwieriger, sich an ein Gesicht zu erinnern.«
»Das ist einen Gedanken wert«, sage ich.
»Wie man's nimmt«, seufzt Alan. »Ich musste mehr als einmal in solchen Gruppen Nachforschungen anstellen. Das ist eine Strafe. Die Leute nehmen das >anonym< verdammt ernst.«
»Trotzdem, wir behalten es im Hinterkopf. Was ist mit den restlichen Clips?«
»Ich habe mir bis jetzt noch keinen anderen angeschaut«, erwidert Alan. »Aber es sieht so aus, als hätte er die Wahrheit gesagt. Es gibt noch sechs weitere Clips auf dieser Seite, und dann ...« Er klickt auf einen Link, der »nächste Seite« heißt, und der Browser lädt eine weitere Seite mit den Vorschaubildern weiterer Clips. »Wenn man genau hinsieht, kann man erkennen, dass jeder Clip die Informationen über den Autor beinhaltet. Diese Clips stammen alle von ihm.«
Ich beuge mich vor. Tatsächlich, ich sehe ein Feld »Autor: Der Prediger« unter jedem der Vorschaubildchen. Ich betrachte die Bilder. Es ist eine bunte Mischung. Einige sind schwarz, andere zeigen die vertrauten weißen Schriftzeichen, die er zur Betitelung seiner Clips verwendet, wiederum andere zeigen junge und alte Frauen. Manche sehen aus wie tot, manche zu Tode verängstigt, einige sind geknebelt. Es gibt keinen eindeutigen Opfertypus.
»Wie viele Clips gibt es auf einer Seite?«, frage ich. »Zehn Reihen á fünf«, antwortet Alan. »Und wie viele Seiten?« Ich habe Angst vor der Antwort. »Knapp drei.«
»Wenn jeder Clip ein Opfer bedeutet, sind die Zahlen auf den Kreuzen, die wir in den Körpern von Lisa Reid und Rosemary Sonnenfeld gefunden haben, letzten Endes wohl doch eine Strichliste«, sagt Callie leise.
»Es gibt noch ein Problem«, sagt Alan und navigiert zurück zur ersten Seite der Religionssektion der Webseite. »Diese Clips kommen auf die Frontseite, basierend auf ihrer Popularität. Mit anderen Worten, je häufiger sie angesehen werden.«
»Na großartig«, sage ich seufzend. »Gehe ich recht in der Annahme, dass es auch einen Gesamtindex gibt?«
Alan nickt. »Wenn diese Clips oft genug angesehen werden, landen sie nicht nur auf der ersten Seite der Religionssektion, sondern auf der Homepage selbst.«
»Irgendjemand wird sehr bald die Verbindung zu dem Namen Reid herstellen«, mutmaßt James. »Ganz zu schweigen von seiner Drohung, ein Kind zu töten. Das kommt in die Schlagzeilen.«
Das Gefühl in meiner Magengrube wird bodenlos.
»Das wird einen Sturm in den Medien auslösen«, sage ich. »Wir müssen versuchen, das zu verhindern.« Ich gehe auf und ab, während ich laut meine Gedanken ordne. »Die Medien werden die Story ausschlachten, und von diesem Augenblick an kriegen wir von überall her Anrufe wegen der Opfer. Die Tatsache, dass er bis heute im Verborgenen geblieben ist, bedeutet mit großer Wahrscheinlichkeit, dass seine Opfer allesamt ungelöste Vermisstenfälle sind. Das sind möglicherweise eine ganze Menge Familien, die wütend nach einer Bestätigung
Weitere Kostenlose Bücher