Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Boese in uns

Das Boese in uns

Titel: Das Boese in uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
Vom Netzwerk:
ihm, Dexter, getan hatte, ließ ihn schaudern und seine Blase nervös werden.
    Jacob war auf sich allein gestellt. Es war Scheiße, aber es gab keine andere Möglichkeit.
    Dexter wandte sich zum Gehen, und in diesem Moment geschah es.
    Es war wie eine Szene aus einem schlechten Film. Das älteste Klischee der Welt. Er trat auf einen Stock. Es war ein trockener Sommer gewesen, und das Holz brach mit einem Geräusch so laut wie ein Chinakracher.
    Der Stock knackte, und eine Sekunde später war Mark bei ihm.
    Das Problem bei Typen wie Mark - das, was sie erst richtig schlimm machte - war die völlige Skrupellosigkeit, die das Fehlen jeglicher Moral ihnen verschaffte.
    Dexter hörte die Bewegungen des älteren Jungen und spürte, wie eine große, kräftige Hand ihn im Nacken packte, bevor er Gelegenheit bekam, den gedanklichen Befehl »Lauf weg!« in Bewegung umzusetzen.
    »Na, wen haben wir denn da?«, kicherte Mark. »Sieht so aus, als gäb's hier 'ne richtige Versammlung von Bekloppten.«
    »Lass mich los, Mark«, sagte Dexter mehr aus Gewohnheit als aus Hoffnung, dass der größere Junge auf ihn hören würde. »Ich bin nur ... spazieren gewesen. Ich hab nicht ... auf meine Umgebung geachtet. Ich hab nichts gehört oder gesehen, ich schwör's!«
    Mark drückte ein wenig fester zu, und Dexter wand sich. Es war noch kein richtiger Schmerz, doch es war bereits eine Andeutung.
    »Das glaub ich dir nicht, Schwuchtel«, sagte Mark. »Ich hab hier eine kleine Party am Laufen, und ich finde, du solltest mitmachen.«
    Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und marschierte zusammen mit Dexter, den er immer noch am Nacken gepackt hielt, auf die Lichtung zurück. Jacob war noch immer auf Händen und Knien. Er zitterte, stammelte. Dexter wunderte sich nicht, dass der ältere Junge nicht weggelaufen war. Mark hatte ihm wahrscheinlich gedroht, ihn umzubringen, sollte er es versuchen. Besser den Fuß ablecken als sich für den Rest seiner Tage umdrehen zu müssen. Jedes kleine Kind, das von älteren schikaniert wurde, verstand diese Logik.
    Mark versetzte Dexter einen Stoß, und er segelte nach vorn. Er stolperte und landete so unglücklich im Dreck, dass er sich das Kinn aufschlug und seine Zähne mit solcher Wucht zusammenkrachten, dass er es im Schädel spürte wie einen Schlag mit einem dicken Holzlöffel.
    »Leck weiter, Idiot!«, herrschte Mark den anderen Jungen an.
    Jacob schluchzte, doch sein Widerstand war gebrochen. Er machte sich erneut daran, Marks dreckige Zehen mit der Zunge zu säubern. Dexter drehte sich um und setzte sich hin. Er wischte sich über den Mund. Seine Zähne schmerzten.
    Die Sonne war heiß, doch ihre Wärme tat längst nicht mehr gut. Sie war plötzlich mehr surreal. Dexter fühlte sich, als wäre er lebendig in einem Backofen eingesperrt. Die Geräusche der Insekten und Vögel ringsum klangen irgendwie träge.
    Sirup-Albträume.
    So pflegte Nana diese Art von Träumen zu nennen. Die Träume, in denen man weglaufen will und das Gefühl hat, sich durch Mus zu bewegen. Sie nannte es »Albtraum-Sirup«, und sie hatte Dexter erklärt, dass dieses Albtraum-Sirup manchmal sogar dann erschien, wenn man hellwach war.
    Mark richtete den Blick aus halb geschlossenen Eidechsenaugen auf Dexter. Er war äußerst zufrieden. Das war genau sein Ding. Unterdrückung, Erniedrigung, Macht. Mark wusste, was er wollte, und er hatte keinerlei Gewissensbisse.
    »He, Schwuchtel. Du hast die Wahl. Du kannst tun, was ich sage, oder du kriegst noch mehr von dem, was du vor ein paar Monaten gekriegt hast.«
    Die Worte ließen Dexter erschauern. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. Sein Mund wurde trocken.
    Was immer er will, es kann nicht so schlimm sein wie das hier. Nichts auf der Welt kann so schlimm sein.
    »Okay, Schwuchtel. Du holst deinen kleinen albernen Pimmel raus und lässt diesen Trottel daran saugen. Ich will, dass er an deinem Oskar Meyer lutscht.« Erneut dieses träge, zufriedene, von keinerlei Gewissensbissen beeinträchtigte Grinsen. »Er lutscht, und du kommst, du Hampelmann. Wenn du nicht kommst, kriegst du die Daumen zu spüren, klar?« Er wackelte mit besagten Daumen und grinste noch breiter.
    Noch Jahre später sollte Dexter sich fragen, wie es kam, dass Typen wie Mark so genau wussten, wo sie das Messer ansetzen mussten, damit es am meisten wehtat. Es war eine unheimliche Fähigkeit. Wie ein Hai, der Blut im Wasser schmecken konnte.
    Dexter hatte sich immer bemüht, ein guter Junge zu sein.

Weitere Kostenlose Bücher