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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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brach ab. Sie rannten einen Fußweg hinter den Häusern entlang, hielten plötzlich inne, sprangen hinter ein paar Büsche und versteckten sich. 
    Am anderen Ende des Weges tauchten Zirkuskapelle, Tierwagen, Clowns, Unholde und alle anderen auf – lärmend zwischen ihnen und der freien Baustelle mit der großen Eiche. 
    Es dauerte wohl fünf Minuten, bis der Umzug vorüber war. 
    Auch der Regen schien sich zu verziehen, die Wolken zogen mit. Es hörte auf zu regnen. Das Trommeln verklang. Die Jungen rannten den Weg entlang, überquerten die Straße und blieben an dem leeren Bauplatz stehen. 
    Unter dem Baum war kein kleines Mädchen. 
    Sie gingen um den Baum herum, blickten hinauf ins Geäst und wagten es nicht, einen Namen zu rufen. 
    Dann packte sie die Angst. Sie rannten los, sich irgendwo in der Stadt zu verstecken. 

Dreiunddreißigstes Kapitel  

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    Das Telefon klingelte. 
    Mr. Halloway hob den Hörer ab. 
    "Dad, hier Will. Wir können nicht zum Polizeirevier gehen, und vielleicht kommen wir auch nicht nach Hause. Sag Mom Bescheid, und sag auch Jims Mutter Bescheid." 
    "Will, wo steckst du?" 
    "Wir müssen uns verbergen. Sie suchen uns." 
    "Wer, um Himmelswillen?" 
    "Ich will dich da nicht reinziehen, Dad. Du mußt es mir glauben, Dad, wir verstecken uns nur für einen Tag, vielleicht zwei, bis sie wieder weg sind. Wenn wir nach Hause gehen, dann folgen sie uns, und dann passiert Mom oder Jims Mom etwas. Ich muß wieder weg." 
    "Will – nein!" 
    "Ach, Dad", sagte Will. "Wünsch mir viel Glück!" 
    Klick. 
    Mr. Halloway sah hinaus auf die Bäume, die Häuser, die Straßen, und er hörte fern die Musik. 
    Dann griff er nach Hut und Mantel und trat hinaus in den seltsamen, hellen, regnerischen Sonnenschein, der die kalte Luft erfüllte. 

Vierunddreißigstes Kapitel 

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    Vor dem Zigarrenladen stand an diesem Sonntagvormittag der hölzerne Indianer. Über den Dächern läuteten die Glocken aller Kirchen, die Töne stießen dort oben zusammen und ließen Geräusch herabregnen, da die Wolken sich verströmt hatten. Und vor dem Zigarrenladen stand der hölzerne Tscherokese mit Wassertropfen im geschnitzten Haarschopf – er merkte nichts von katholischen oder Baptistenglocken, wußte nichts vom stetigen Näherkommen sonnenheller Zymbeln, dem laut pochenden Heidenherz der Zirkuskapelle. Die hallenden Trommeln, der Altweiberschrei der Zirkusorgel, das Schattenspiel von Kreaturen, die noch viel eigentümlicher waren als er selbst, das alles berührte nicht den wilden Adlerblick seines starren Gesichts. Doch die Trommeln ließen die Kirchen erbeben und lockten ganze Jungenbanden hervor, die für jegliche Abwechslung dankbar waren, ob mild oder wild. Und als die Kirchenglocken mit ihrem metallenen Regen aufhörten, wurden aus den von Kirchenbänken steifen Gemeinden heitere Zuschauermengen, als die Zirkusparade blechschmetternd, buntsamten, löwenstolz, mammutschwer, fahnenflatternd vorüberzog. 
    Der Schatten des hölzernen Indianertomahawks lag genau auf dem eisernen Rost, der vor dem Zigarrenladen im Bürgersteig eingelassen war. Über dieses Gitter schritten Jahr für Jahr mit metallenem Trampeln die Leute und ließen Tonnen von Kaugummipapier, goldene Zigarrenbauchbinden, Streichhölzer, Zigarettenkippen und Kupferpennies fallen, die für immer in der Tiefe verschwanden. 
    Nun drängten sich hundert Füße auf dem klirrenden Rost, als die Zirkusparade, wie Tiger und Vulkane brüllend, farbenprächtig vorüberstelzte. 
    Unter dem eisernen Rost zitterten zwei Gestalten. 
    Oben öffneten sich wie bei einem großen, eigentümlichen Pfau die Augen der Mißgeburt, starrten nach links und rechts, suchten Hausdächer und Kirchturmspitzen ab, lasen die Firmenschilder des Zahnarztes und des Optikers, überprüften die Schaufenster im Warenhaus. Der Trommelwirbel ließ Fensterscheiben klirren und die Schaufensterpuppen dahinter furchtsam erbeben. Der Umzug war eine Menge heißer, unglaublich leuchtender, wilder Augen, begierig, ber die Begierde sorgsam verhüllend. 
    Was sie am meisten begehrten, war im Dunkeln verborgen. 
    Jim und Will unter dem Gitter des Zigarrenladens im Bürgersteig. Knie an Knie kauerten sie da, eng aneinandergedrückt, die Köpfe erhoben, die Augen wachsam. So saugten sie an den eigenen Atemzügen wie an eisernen Lutschstangen. Oben flatterten die Kleider der Frauen in einer kühlen Brise. Oben kippten

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