Das Böse kommt auf leisen Sohlen
heute abend Städte, Dörfer und winzige Flecke voller Narren. Der Zirkus fließt vorbei, rüttelt an jedem Baum. Es regnet Idioten. Jeder einzelne ein Trottel, möchte ich sagen, von denen sich jeder einzelne einbildet – manchmal stimmt's auch –, daß keiner da ist, der seinen Hilferuf hört.
Narren, die nichts miteinander zu tun haben – diese Ernte holt der Zirkus lächelnd ein, wenn er mit seiner stampfenden Maschine daherkommt."
"Mein Gott – wie hoffnungslos!" sagte Will.
"Nein. Allein die Tatsache, daß wir hier beisammen sind und uns über den Unterschied zwischen Sommer und Herbst den Kopf zerbrechen, beweist mir, daß es einen Ausweg geben muß. Man muß nicht dumm bleiben, und man muß nicht Böses, Falsches, Sündiges tun, wie du es auch immer nennen magst. Es gibt immer mehr als nur drei oder vier Möglichkeiten, unter denen man wählen kann. Sie, dieser Dark und seine Freunde, sie haben nicht alle Karten in der Hand, das habe ich heute vor dem Zigarrenladen bemerkt. Ich fürchte ihn, aber ich konnte deutlich merken, daß auch er mich fürchtet. Es ist also eine Angst auf Gegenseitigkeit. Wie können wir die zu unserem Vorteil ausnutzen?"
"Wie?"
"Immer schön der Reihe nach. Sehen wir uns in der Geschichte um. Wenn der Mensch hätte für alle Zeiten böse bleiben wollen, so konnte er das – einverstanden?
Gut. Sind wir tatsächlich draußen bei den Tieren des Waldes geblieben? Nein. Sind wir im Wasser bei den Haien geblieben? Nein. Irgendwann einmal haben wir die heiße Gorillapfote losgelassen. Irgendwann haben wir auf unsere Reißzähne verzichtet und angefangen, Gras zu essen. Pflanzenbrei spielt in unserer Geschichte eine ebenso große Rolle wie Blut, viele Generationen lang.
Seitdem betrachten wir uns auf der Stufenleiter den Affen überlegen, aber wir stehen nicht so hoch wie die Engel. Das war eine hübsche Idee, deshalb haben wir sie zu Papier gebracht und Häuser wie dieses hier drumherum gebaut. Wir gehen in diesen Häusern ein und aus und kauen immer noch drauf herum, auf diesem Grashalm, süß und neu, wir denken darüber nach und wollen herausfinden, wann wir den Schritt getan haben, wann wir uns entschlossen, anders zu sein. Ich denke, das war in irgendeiner Nacht, vor Hunderttausenden von Jahren, wo einer jener fellbekleideten Männer nachts am Feuer aufwachte und über die Glut hinweg seine Frau und seine Kinder betrachtete und daran dachte, daß sie kalt waren, kalt und tot für immer. Und da muß er wohl geweint haben. Er wird die Hand nach seiner Frau und nach den Kindern ausgestreckt haben, in dem Bewußtsein, daß sie eines Tages sterben müssen. Am nächsten Morgen behandelte er sie eine Zeitlang etwas besser, weil er erkannte, daß auch sie – genau wie er – die Saat der Nacht in sich trugen. Diese Saat fühlte er in seinen Adern, sie klopfte in seinem Puls, immer schmerzhafter, je weiter der Tag voranschritt, weil er wußte, daß sein Leib eines Tages in die Dunkelheit eingehen würde. Dieser Mensch, der allererste, wußte also, was wir heute wissen: Unsere Zeit ist kurz, und die Ewigkeit ist lang. Mit diesem Wissen kamen Mitleid und Gnade. Wir sparten die anderen für die späteren, verwickelteren, geheimnisvolleren Gnaden der Liebe auf.
Was sind wir also, alles in allem? Wir sind die wissenden Geschöpfe, und wir wissen zu viel. Wir tragen eine so schwere Last, daß wir wiederum vor der Wahl stehen, ob wir lachen oder weinen sollen. Kein anderes Tier kann lachen oder weinen. Wir tun beides, je nach Zeit und Laune. Irgendwie hab ich den Eindruck, die Zirkusleute beobachten uns, um zu sehen, ob wir weinen oder lachen, wann wir es tun und wie. Sie schlagen zu, wenn sie glauben, daß wir reif sind.
Charles Halloway hielt inne. Die beiden Jungen sahen ihn so gespannt an, daß er plötzlich errötete und sich abwenden mußte.
"Junge, Mr. Halloway!" rief Jim halblaut. "Das ist großartig! Weiter!"
"Dad", sagte Will verwundert. "Ich habe nie gewußt, daß du reden kannst!"
"Du solltest mich manchmal spät abends hören, da tu ich nichts anderes als nur reden!" Charles Halloway schüttelte den Kopf. "Ja, das solltest du wirklich hören. Ich hätte an jedem Tag der Vergangenheit mehr mit dir reden sollen. Teufel. Wo war ich nur? Auf dem Weg zur Liebe wahrscheinlich. Ja – Liebe."
Will machte ein gelangweiltes Gesicht, und Jim schien dieses Wort unangenehm zu
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