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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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ein Platz für einen Mann, der wie zwanzig aussieht, in Wirklichkeit aber älter ist als Methusalem? Welcher Mensch könnte den Schock einer solchen Verwandlung überstehen? Die Zirkusleute sagen dir nichts davon, daß das schlimmer ist als der Schock nach einer Operation – aber, bei Gott, es ist schlimmer! 
    Also, was geschieht? Du bekommst dein Fett: Irrsinn. 
    Auf der einen Seite die veränderte persönliche Umgebung, die veränderte Gestalt. Auf der anderen das Schuldgefühl, weil man die Frau, den Mann, die Freunde wie alle Menschen sterben läßt – Herr im Himmel, allein darüber müßte ein Mensch wahnsinnig werden. Darausentstehen neue Ängste, neue Qualen, an denen sich der Zirkus mästen kann. Wenn dir der grüne Dunst aus dem zermarterten Gewissen aufsteigt, so sagst du, daß du dahin zurückkehren willst, woher du gekommen bist. Die Zirkusleute hören dir zu und nicken. Ja, versprechen sie dir, wenn du brav bist, dann geben sie dir die fünfzig Jahre – oder wieviel es auch sei – wieder zurück. Allein von dem Versprechen, das richtige Alter wiederherzustellen, reist der Zirkus durch die Welt. Die Schauzelte stecken voller Verrückter, die nur darauf warten, aus der Sklaverei entrinnen zu können. 
    Unterdessen reisen sie mit dem Zirkus und liefern ihm den Brennstoff, den er braucht." 
    Will murmelte etwas vor sich hin. 
    "Was?" 
    "Miss Foley", sagte Will traurig. "Die arme Miss Foley, die haben sie jetzt, wie du gerade sagst. Als sie hatte, was sie wollte, da fürchtete sie sich davor und wollte es nicht mehr. Was hat sie doch geweint, Dad, so furchtbar geweint. Sicher versprechen sie ihr gerade, daß sie wieder fünfzig werden kann, wenn sie will – irgendwann einmal. Ich frage mich, was sie gerade mit ihr machen. Ach, Dad, Jim..." 
    "Gott sei ihr gnädig." Wills Vater streckte schwerfällig die Hand aus und zeichnete mit dem Finger die Zirkusbilder nach. "Vermutlich hat man sie zu den anderen Mißgeburten gesteckt. Und wer sind die? 
    Sünder, die in der Hoffnung auf Erlösung so weit und so lange um die Welt gefahren sind, daß sie schon die Gestalt ihrer Sünden angenommen haben? Der Dicke, was war er einst? Wenn ich den Sinn für schwarzen Humor richtig deute, den die Zirkusleute da beweisen, die Art, wie sie zu wägen belieben, so würde ich sagen, daß er früher nach jeder Art von Lust gierte. Jedenfalls lebt er nun im Zirkus und platzt fast aus seiner Haut. Der Dünne, das Skelett, oder wie immer sie ihn nennen – hat er vielleicht Frau und Kinder verhungern lassen, körperlich wie auch geistig? Der Zwerg? War es dein Freund, der Blitzableiterverkäufer, oder war er es nicht? 
    Immer unterwegs, nie zur Ruhe kommend, ließ er es niemals darauf ankommen und rannte stets vor den Gewittern her; ja, er hat wohl Blitzableiter verkauft, aber andere hat er dem Unwetter preisgegeben. Deshalb ist er, als er auf die Freifahrt hereinfiel, vielleicht absichtlich, vielleicht versehentlich, nicht in einen Jungen verwandelt worden, sondern in einen grotesken Zwerg. Die wahrsagende Zigeunerin, die Staubhexe? Vielleicht eine Frau, die stets für morgen lebte und das Heute dahingehen ließ wie ich. Nun wird sie dafür bestraft, indem sie anderen Leuten ihren wilden Aufstieg und Untergang voraussagen muß. Sag mir, Junge, du hast sie doch aus der Nähe gesehen, du mußt es wissen... Der Spitzkopf? Der Schafhirt? Der Feuerfresser? Die siamesischen Zwillinge, mein Gott, wer waren sie? Wir werden es nie erfahren. Sie werden es uns niemals sagen. 
    In der letzten halben Stunde haben wir nur Vermutungen geäußert, über viele Dinge, und wahrscheinlich zumeist falsche Vermutungen. Jetzt brauchen wir einen Plan. 
    Wohin gehen wir von hier aus?" 
    Charles Halloway breitete einen Stadtplan aus und zeichnete die Zirkuswiese mit Blaustift ein. 
    "Bleiben wir verborgen? Nein. Wenn's um Miss Foley und so viele andere geht, können wir das nicht. Also, wie greifen wir sie an, ohne daß es uns vorher selbst erwischt? Welche Waffen..." 
    "Silberne Kugeln!" rief Will plötzlich. 
    "Aber nein!" Jim schnaubte verächtlich. "Das sind doch keine Vampire!" 
    "Wenn ich katholisch wäre, würde ich mir Weihwasser aus der Kirche holen..." 
    "Unsinn!" sagte Jim. "Zeug fürs Kino. Im Leben gibt's so etwas nicht. Hab ich recht, Mr. Halloway?" 
    "Hoffentlich, mein Junge." 
    Wills Augen blitzten wütend. "Okay. Dann gibt's nur eins: Wir gehen mit

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