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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Wanderzirkus hatte  Mädchen zwölf Stunden lang in einen Brocken Winter  eingefroren, den die hiesige Eisfabrik geliefert hatte. Vor  der Eiswand ging die Vorstellung weiter, bis schließlich  schwitzende Magier die blassen Damen befreiten und sie  lächelnd hinter den Vorhang entführten. 
    DIE SCHÖNSTE FRAU DER WELT! 
    Dabei war dieser durchsichtige Klotz aus winterlichem  Glas nichts weiter als gefrorenes Flußwasser. 
    Oder nicht? Nein, ganz leer war er nicht. 
    Halloway spürte, wie sein Herz rascher klopfte. 
    War da nicht ein Hohlraum in dem riesigen weißen  Diamant? Eine gewölbte Leere, die sich vom Scheitel bis  zur Sohle des Klotzes hinzog? War diese Höhlung, die  darauf wartete, mit warmem Fleisch gefüllt zu werden,  nicht ungefähr geformt wie ein Frauenkörper? 
    Ja.

    Das Eis. Der Hohlraum mit den lieblichen Kurven,  waagrechter Fluß von Linien in der Leere des Eises.  Liebliches Nichts. Die schönen Linien einer  Meerjungfrau, die es wagte, sich vom Eis  gefangennehmen zu lassen. 
    Das Eis war kalt. 
    Der Hohlraum im Eis war warm. 
    Er wollte weg von hier.
    Aber Charles Halloway blieb lange Zeit in dem  düsteren, leeren Laden stehen. Vor ihm, auf den beiden  Sägeböcken, wartete kalt der arktische Sarg und funkelte  im Dunkeln wie der Stern von Indien. 

Sechstes Kapitel

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    Jim Nightshade blieb an der Ecke der Hickory und Main Street stehen. Sein Atem ging kaum rascher. Zärtlich wanderte sein Blick die staubbedeckte Hickory Street entlang. 
    "Will..." 
    "Nein!" Will erschrak über die eigene Heftigkeit. 
    "Ist doch gleich da vorn. Das fünfte Haus. Eine einzige Minute nur, Will", bettelte Jim leise. 
    "Minute?" Will sah die Straße entlang. 
    Es war die Straße des Theaters. 
    Bis zu diesem Sommer war es eine ganz gewöhnliche Straße, in der sie je nach Jahreszeit Pfirsiche, Pflaumen und Aprikosen stahlen. Aber dann, Ende August, als sie gerade nach den sauersten Äpfeln in die höchsten Wipfel kletterten, da ereignete sich etwas, das die Häuser verwandelte, den Geschmack der Früchte, sogar die Luft zwischen den flüsternden Bäumen. 
    "Will. Es wartet auf uns. Vielleicht passiert etwas!" zischte Jim. 
    Vielleicht passierte wirklich etwas. Will schluckte hart und spürte an seinem Arm den Druck von Jims Hand. 
    Das war nun nicht mehr die Straße der Äpfel oder Pflaumen oder Aprikosen; es ging nur um das eine Haus mit dem einen Fenster an der Seite. Dieses Fenster, so sagte Jim, sei eine Bühne und die hochgezogenen Jalousien der Vorhang. In diesem Zimmer, auf dieser seltsamen Bühne, standen die Schauspieler und sprachen geheimnisvolle Texte, formten fremde Worte, lachten, murmelten, seufzten. Das meiste davon war nur Flüstern, und Will verstand es nicht. 
    "Nur das eine Mal noch, Will!" 
    "Du weißt genau, es ist nicht das letzte Mal." 
    Jims Gesicht war gerötet, seine Backen glühten, seine Augen blitzten wie flaschengrünes Feuer. Er dachte an jene Nacht, als sie die Äpfel pflückten und er plötzlich rief: "Da – schau mal!" 
    Will klammerte sich aufgeregt an die Äste des Baumes und starrte hinein auf das Theater, auf die Bühne, wo die Leute Hemden über die Köpfe zogen, Kleidungsstücke auf den Teppich fallen ließen und nackt wie Tiere dastanden, die Hände nacheinander ausgestreckt. 
    Was treiben sie nur, überlegte Will. Warum lachen sie? Was fehlt ihnen, was stimmt bei ihnen nicht? 
    Er wünschte sich nur, daß das Licht ausgehen möge. 
    Doch er klammerte sich mit plötzlich feuchten Fingern krampfhaft an den Ast und beobachtete das helle Zimmertheater, hörte das Lachen, bis ihm schließlich die Muskeln lahm wurden und er abglitt. Benommen lag er da, dann erhob er sich und starrte hinauf zu Jim, der sich immer noch an seinem hohen Ast festhielt. Mit strahlenden Augen, die Backen feuerrot, die Lippen leicht geöffnet, so starrte er durch das Fenster. "Jim, Jim, komm doch runter!" Aber Jim hörte ihn nicht. "Jim!" 
    Als Jim dann endlich herunterschaute, da stand Will unten wie ein Fremder, der die verrückte Forderung stellt, das Leben aufzugeben und zur Erde zurückzukehren. Will rannte allein davon. Er dachte zu viel, er dachte gar nichts, er wußte nicht mehr, was er denken sollte. 
    "Will, bitte..." 
    Will sah Jim an, die Bücher unter den Arm gepreßt. 
    "Wir waren doch in der Bibliothek, langt das nicht?" 
    Jim schüttelte den Kopf. "Halt mal die Bücher." 
    Er reichte Will

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