Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
Peep-Toes und natürlich Perlen, dazu dezent gemusterte Strümpfe. Ich machte mir eine mentale Notiz, Mom später zu bitten, ebenfalls Strümpfe anzuziehen, auch wenn ich wusste, dass sie es nicht tun würde, weil Richard »ihre Beine unbedeckt lieber mochte«.
Richard Duke. In Charleston besser bekannt als der Geldsack, der hinter dem erfolgreichsten Blumengeschäft der Stadt stand, dem The Duke of Jessamines . Weniger bekannt als The Dick, wie Mike und ich ihn hinter seinem Rücken nannten und ganz leise auch manchmal direkt vor ihm.
Ich nahm den überwältigenden Geruch der Lilien wahr, die er meiner Mutter immer mitbrachte (was nicht mehr ganz so ritterlich schien, wenn man wusste, dass sie ihn praktisch nichts kosteten), und ich hörte die seelenlose Kuscheljazz-CD, die er immer einlegen wollte.
»Dotty«, sagte er gerade zu meiner Mutter, »mit dieser Käsecreme hast du dich selbst übertroffen. Kann ich bitte noch eine Portion haben?«
Als ich in die Küche kam, sah ich, wie Mom strahlte.
»Nats Vater hat sie nie gemocht«, erklärte sie und sah mich an. »Möge er in Frieden ruhen.«
Ich wurde bleich, als ich an Dads unerwartete und bislang immer noch unerwiderte SMS denken musste. Auch wenn meine Mutter das immer sagte, wenn sie meinen armen, dahingeschiedenen Vater erwähnte, hörte es sich dieses Mal seltsam bedrohlich an. Ich sah sie an. Wusste sie, dass Dad aus dem Gefängnis raus war? Hatte er sich auch bei ihr gemeldet?
Doch ihr unschuldiger Gesichtsausdruck, während sie zusah, wie Dick den letzten Rest Creme aus der Schüssel löffelte, ließ vermuten, dass sie keine Ahnung von dieser neuesten Entwicklung hatte.
Es hatte fast den Anschein, als habe sie sich mittlerweile selbst davon überzeugt, dass ihr Ehemann bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen war.
»Da bist du ja, Nat.« Dick stand auf, um mir einen Kuss zu geben. Die Luftfeuchtigkeit ließ seine sorgfältig gekämmten Haare vom Kopf abstehen und in seinem dichten Schnurrbart hing Käsecreme. Doch ich wusste, dass Mom ausflippen würde, wenn ich vor seiner Begrüßung zurückzuckte.
»Sieh sie dir nur an.« Dick wies zwischen mir und seiner Tochter hin und her. »Zwei von Charlestons schönsten Versprechungen zusammen in einem Raum.« Er legte Mom den Arm um die Taille. »Womit haben wir so viel Glück verdient?«
Darla hatte für den Kirchgang ein einfaches gelbes Kittelkleid gewählt, dessen hochgeschlossener Ausschnitt ausnahmsweise den Blick auf ihr üppiges Dekolleté verwehrte. Wenn man die fusseligen braunen Haare und die hängenden Ohrläppchen dazurechnete, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, hatte Doppel-D etwa so viel Chancen, in den inneren Bambi-Kreis der Palmetto aufgenommen zu werden, wie Mom, den Status der dritten Bankreihe in der Kirche zu erhalten. Mom hatte zumindest den Mumm, um das zu kämpfen, was sie wollte, aber Darlas Kampfeslust schien mit dem Ausdruck »unterentwickelt« noch freundlich beschrieben.
»Bist du gestern früh von Rex’ Party gegangen?«, fragte sie mich und saugte ihren Orangensaft durch einen Strohhalm. »Ich hab noch mitbekommen, wie du J. B. beim Bierfass angefeuert hast, aber danach haben wir uns gar nicht mehr gesehen.«
Wer um Himmels willen hätte Darla auf der Party gestern Abend überhaupt bemerkt? Ich sah Mom an, die aufmunternd nickte und mich mit ihrem Blick praktisch anflehte, Darla unter meine Fittiche zu nehmen.
»Ich war müde«, gab ich zurück. »Vor der Kirche brauche ich immer meinen Schönheitsschlaf.«
»Wo wir gerade davon reden«, Mom hob einen rot lackierten Fingernagel, »die dritte Reihe in der Kirche wird auch nicht leerer. Seid ihr alle satt?«
Ich nahm mir eine Banane für unterwegs mit und warf Mom in letzter Sekunde noch eine Strumpfhose zu, bevor wir zu viert das Haus verließen.
»Es tut mir leid, aber in meinen Porsche gehen leider nur zwei Leute«, erklärte Dick und lachte, als hätte er einen richtig guten Witz gemacht. »Ich hoffe, es macht euch nichts aus, wenn wir im Wagen von Duke of Jessamines zur Kirche fahren.«
Ich betrachtete den großen weißen Lieferwagen mit dem Logo von Duke of Jessamines (Dicks Cartoon-Gesicht, umgeben von trompetenförmigen Cartoon-Blumen) auf der Schiebetür.
Oh Gott, vergib meiner Mutter, mir das in der Woche vor der Palmetto-Krönung anzutun!
Aber im Grunde fragte ich mich, ob ich diesen kleinen Hinweis auf die Existenz von Karma nicht sogar verdient hatte. Schließlich hatte ich J. B. an diesem Morgen
Weitere Kostenlose Bücher