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Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)

Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)

Titel: Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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ich das eher Mike zu verdanken hatte. Aber viel verwirrender war, dass ich es aus irgendeinem Grund nicht schaffte, dieses Pillenfläschchen wegzuwerfen.
    Ich hatte nicht vor, die Pillen zu schlucken. Sie waren lediglich eine wichtige Erinnerung daran, dass ich uns die Sache eingebrockt hatte, und ich würde uns auch wieder herausholen.
    Aber während ich zusah, wie die Männer in den schwarzen Anzügen schwarze Erde auf den schwarzen Sarg schaufelten und immer höher über dem großen schwarzen Loch auftürmten, bekam ich solche Beklemmungen, als läge ich bei J. B. in diesem Sarg. Der Schirm über meinem Kopf kam mir auf einmal wie ein Käfig vor, und der kratzende Kragen meines Kleids schien meine Kehle so einzuengen, dass ich kaum noch schlucken konnte. Ich streckte den Kopf unter dem Schirm hervor, doch Regen und Nebel hingen so tief, dass ich das Gefühl hatte, selbst der Himmel wolle mich niederdrücken. Meine Brust hob sich heftig, als ich fast am Regen erstickte. Ich konnte kaum atmen.
    Mike legte mir den Arm um die Schultern – noch eine Last – und führte mich in die Kirche zurück. Es war vorbei. Ich sah meine Mutter an der Tür stehen und winken. Ich würde es nicht ertragen, wenn sie mich gleich fragte, ob ich J. B.s Gesichtsfarbe im offenen Sarg natürlich gefunden hatte oder nicht.
    »Ich bekomme keine Luft«, sagte ich zu Mike. »Ich muss hier raus.«
    Er nahm meine Hand. »Okay, lass uns ein Stück gehen.«
    »Ich bin aber immer noch sauer auf dich«, sagte ich.
    Er antwortete nicht. Wir gingen über den matschigen Friedhof an den Zypressen mit den ausladenden grauen Stämmen vorbei fort von der melodramatischen Menge. Ich wusste, wo Mike uns hinführte. Seine Füße schlugen ganz automatisch den Weg dorthin ein.
    Wir blieben vor der großen Grabstätte seiner Familie in der Mitte des Friedhofs stehen. Ich folgte ihm in das Mausoleum, wo Großmutter und Großvater King beerdigt waren. Ich war schon einmal dort gewesen, vor zwei Jahren, am fünften Todestag seines Großvaters. Damals war mir das Mausoleum schon gruselig genug vorgekommen, obwohl es ein heißer, sonniger Tag gewesen war und der Friedhof von Menschen nur so wimmelte.
    Jetzt bückten wir beide uns wie Zombies unter dem niedrigen Betoneingang hindurch und setzten uns auf die verzierte Marmorbank. Der dumpfe Geruch von Louisianamoos stieg mir in die Nase und ließ mich husten. Ich lenkte mich von meiner Angst ab, indem ich auf den Donner draußen lauschte und meinen Blick auf das große Schild KING über dem Eingang des Mausoleums geheftet hielt. Mike ließ seine Hand auf meinem Rücken kreisen. Es war schwer, ihm hier drin immer noch böse zu sein.
    Seit wir die Beerdigung verlassen hatten, hatten wir kein Wort gesprochen. Wir hatten seit Mikes Rede gestern überhaupt nicht viel miteinander gesprochen, außer ein paar höflichen Bemerkungen für die Öffentlichkeit während des Empfangs. Wenn ich es recht bedachte, hatten wir nicht mehr richtig miteinander geredet seit … ja, seit der Sache mit J. B.
    Ich hatte Freundinnen, die sich Sorgen machten, wenn während eines Gesprächs mit einem Jungen – bei Telefonaten oder beim Essen bei MacB – Pausen entstanden. Sie hatten mir immer leidgetan, weil ich das Gefühl hatte, als sähen sie nicht, worum es eigentlich ging. Bei Mike und mir gab es kein unangenehmes Schweigen, es gab nur intimes Schweigen. Wenn ich Kate erzählte, wie sehr ich es genoss, einfach still neben ihm zu sitzen, sah sie mich immer an, als ob ich verrückt sei. Aber vielleicht dauerte es diesmal selbst für uns ein wenig zu lange.
    Ich machte den Mund auf und war mir eigentlich sicher, dass ich irgendetwas Interessantes zu sagen hatte, doch als ich zu lange mit offenem Mund sitzen blieb, sagte Mike:
    »Ich wünschte, dieser Regen könnte alles wegwaschen, was wir getan haben.«
    »Das kann er nicht.«
    Wir hörten uns an wie zwei Roboter.
    »Justin ist tot«, fuhr ich fort. Die schrecklichen Worte schienen das ganze Mausoleum auszufüllen. »Das können wir nicht ungeschehen machen.«
    In meinem Kopf wirbelte die Erinnerung an J. B.s selbstzufriedenes Gesicht und an die angeberische Art, wie er lächelte. Ich wollte nicht mehr an ihn denken und nicht mehr seine grünen Augen vor mir auftauchen sehen. Ich fragte mich, was Mike wohl gerade dachte und nicht erzählen wollte.
    Plötzlich seufzte er laut. »Vielleicht sollten wir alles sagen.«
    »Was?«, fuhr ich auf.
    Mike rieb sich die Augen wie ein Kind, das man

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