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Das Böse unter der Sonne

Das Böse unter der Sonne

Titel: Das Böse unter der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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elf, und jemand anders hat Sie um zwanzig Minuten nach elf noch gesehen.»
    «Ach, tatsächlich?», sagte Captain Marshall. «Das ist ja sehr erfreulich!»
    «Ja. Miss Darnley kam um zwanzig Minuten nach elf in Ihr Zimmer. Aber Sie waren so eifrig bei der Arbeit, dass Sie ihr Erscheinen nicht bemerkten.»
    Kenneth Marshalls Gesicht wurde ausdruckslos. «Behauptet Miss Darnley das?» Er schwieg einen Augenblick. «Sie täuscht sich! Ich habe sie nämlich doch gesehen – im Spiegel.»
    «Aber Sie unterbrachen Ihre Arbeit nicht?», fragte Poirot.
    «Nein», erwiderte Marshall knapp. «Ich wollte schnell fertig werden.» Wieder machte er eine Pause. «Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?», fragte er dann.
    «Nein, vielen Dank, Captain Marshall.»
    Kenneth Marshall nickte kurz und ging hinaus. Weston seufzte. «Da geht unser Verdächtiger, auf den wir alle Hoffnungen gesetzt hatten. Er hat ein hieb- und stichfestes Alibi! Hallo, da ist ja Neasdon!»
    Der Arzt war ins Zimmer gekommen. Er wirkte sehr aufgeregt. «Da haben Sie mir ja eine hübsche kleine Sendung geschickt», rief er.
    «Was ist es denn?»
    «Was es ist? Diazetyl-Morphin. Gewöhnlich nennt man das Zeug Heroin.»
    Inspektor Colgate stieß einen Pfiff aus. «Allmählich kommen wir weiter», sagte er. «Scheint, als würde es bei dieser Geschichte im Grunde um Drogenschmuggel gehen.»

10
     
    E s waren nicht sehr viele Leute, die nach der vorgerichtlichen Untersuchung das «Red Bull» verließen. Die Sitzung hatte nicht lange gedauert und war dann um vierzehn Tage vertagt worden.
    Rosamund Darnley trat zu Captain Marshall und sagte mit leiser Stimme: «Es war nicht so schlimm, nicht wahr, Ken?» Er antwortete nicht sofort. Vielleicht weil er die neugierigen Blicke der Dorfbewohner spürte, die Finger, mit denen sie am liebsten auf ihn gedeutet hätten, es aber doch nicht taten.
    «Das ist er, meine Liebe!» – «Sieh mal, das ist der Ehemann!» – «Das muss ihr Mann sein!» – «Schau, da geht er!» Das Gemurmel war nicht so laut, dass Marshall es deutlich verstanden hätte, trotzdem beunruhigte es ihn. Ihm war, als würde er am Pranger stehen. Die Presse hatte er schon getroffen, selbstsichere, glatte junge Männer, die geschickt die Mauer des Schweigens einrissen, die er aufzubauen versucht hatte. Selbst seine kurzen Antworten, sein «Kein Kommentar», waren in den Morgenzeitungen in einem völlig anderen Zusammenhang gedeutet worden, obwohl er gedacht hatte, durch seine Einsilbigkeit jede Art von Entstellung der Tatsachen verhindern zu können. «Befragt, ob das Geheimnis um den Tod seiner Frau nur mit der Vermutung erklärt werden könne, dass ein wahnsinniger Mörder seinen Weg auf die Insel gefunden habe, erklärte Captain Marshall, dass…», und so weiter und so weiter.
    Die Kameras klickten unaufhörlich. Gerade in diesem Augenblick wurde ihm das Klicken wieder bewusst. Marshall wandte halb den Kopf. Ein fröhlich lächelnder junger Mann nickte ihm zu. Er hatte sein Ziel erreicht.
    «Captain Marshall und eine Freundin beim Verlassen des ‹Red Bull› nach der gerichtlichen Untersuchung», sagte Rosamund.
    Marshall zog ein Gesicht.
    «Es hat doch keinen Zweck, Ken!», sagte Rosamund. «Du musst den Tatsachen ins Auge blicken! Ich meine damit nicht nur Arlenas Tod. Ich meine auch die damit zusammenhängenden Gemeinheiten. Die neugierigen Blicke und die Klatschereien, die albernen Berichte in den Zeitungen. Die beste Methode, sich zu wehren, ist, alles komisch zu finden! Sollen sie doch ihre verstaubten idiotischen Klischees gebrauchen! Lächle dazu! Verspotte sie!»
    «So was liegt dir?», fragte er.
    «Ja.» Sie schwieg einen Augenblick. «Ich weiß, dir liegt es nicht. Mimikry ist dir lieber. Nichts unternehmen und im Hintergrund bleiben! Aber hier geht es nicht. Es gibt keinen Hintergrund. Du stehst mitten auf der Bühne, und alle Leute können dich genau sehen! Der Ehemann der Ermordeten.»
    «Um Gottes willen, Rosamund…»
    «Ich versuche doch nur, dir zu helfen, mein Lieber», sagte sie leise.
    Schweigend gingen sie ein paar Schritte weiter. Dann sagte Marshall in völlig anderem Tonfall: «Das weiß ich. Ich bin dir auch sehr dankbar, Rosamund.»
    Kurze Zeit darauf hatten sie den Ort hinter sich gelassen. Sie wurden noch weiter beobachtet, aber niemand war in Hörweite. Rosamunds Stimme klang zweifelnd, als sie ihre Frage von vorhin wiederholte: «Es war nicht so schlimm, nicht wahr, Ken?»
    Er zögerte mit der Antwort. «Ich weiß

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