Das Bourne-Attentat
Jason?«
Bourne blickte zu Professor Specter auf, dessen Gesicht geschwollen und blau verfärbt war. Sein linkes Auge war halb geschlossen und so dunkel wie eine Gewitterwolke.
»Ja«, fügte Specter hinzu, »nach dem, was gerade passiert ist, muss ich Sie wohl mit Ihrem rechtmäßigen Namen ansprechen.«
»Meine Ferse ist in Ordnung«, antwortete Bourne. »Ich sollte fragen, wies Ihnen geht.«
Specter griff sich mit den Fingerspitzen vorsichtig an die Wange. »Ich habe in meinem Leben schon schlimmere Prügel bezogen.«
Die beiden Männer saßen in einer Bibliothek mit hohen Wänden, die mit einem prächtigen Perserteppich ausgelegt und mit lederbezogenen Polstermöbeln eingerichtet war. An drei Wänden standen vom Fußboden bis zur Decke Bücher in edlen Mahagoniregalen.
Die vierte Wand war mit einem großen Bleiglasfenster versehen, durch das man auf eine Gruppe von Tannen auf einem kleinen Hügel hinausblickte. Der Abhang führte zu einem Teich hinunter, an dem eine Trauerweide stand, die im Wind zitterte.
Specters persönlicher Arzt war gerufen worden, doch der Professor hatte darauf bestanden, dass der Doktor sich zuerst um Bournes gehäutete Ferse kümmerte.
»Ich bin sicher, wir treiben irgendwo ein Paar Schuhe für Sie auf«, sagte Specter und schickte einen Mann aus dem mindestens sechsköpfigen Personal mit dem einen Schuh los, den Bourne noch hatte.
Das große Steinhaus mit Dachschindeln mitten im ländlichen Virginia, zu dem Specter Bourne geleitet hatte, war nicht zu vergleichen mit der bescheidenen Wohnung, die der Professor in der Nähe der Universität hatte. Bourne war im Laufe der Jahre des Öfteren in der Wohnung gewesen, aber nie hier.
»Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich über das hier ein bisschen wundern«, sagte Specter, als hätte er Bournes Gedanken gelesen. »Alles zu seiner Zeit, mein Freund.« Er lächelte. »Zuerst muss ich Ihnen dafür danken, dass Sie mich gerettet haben.«
»Wer waren diese Männer?«, fragte Bourne. »Warum wollten sie Sie entfuhren?«
Der Arzt trug eine antibiotische Salbe auf, legte einen Gazetupfer auf die Ferse und fixierte ihn mit einer elastischen Binde.
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Specter. »Ich würde vorschlagen, dass ich sie Ihnen beim Frühstück erzähle, das uns vorhin nicht mehr vergönnt war.« Er zuckte zusammen, als der Arzt verschiedene Stellen seines Körpers abtastete.
»Prellungen, Blutergüsse«, stellte der Arzt in nüchternem Ton fest, »aber es ist nichts gebrochen.«
Er war ein kleiner dunkelhäutiger Mann mit Schnurrbart und schwarzem, glatt zurückgekämmtem Haar. Bourne vermutete, dass er, so wie das gesamte Personal, Türke war oder zumindest irgendeinem Turkvolk angehörte.
Er gab Specter eine kleine Schachtel. »Sie werden vielleicht dieses Schmerzmittel brauchen, aber nur in den nächsten zwei Tagen.«
Während Specter untersucht wurde, rief Bourne mit seinem Handy Deron an, den Kunstfälscher, der ihn stets mit Reisepapieren versorgte. Bourne teilte ihm das Kennzeichen des schwarzen Cadillacs mit, den er den Entführern des Professors abgenommen hatte.
»Ich brauche so schnell wie möglich die Zulassungsdaten.«
»Bist du okay, Jason?«, fragte Deron mit seiner sonoren Stimme mit Londoner Akzent. Deron hatte Bourne schon bei so mancher halsbrecherischer Mission unterstützt. Er stellte ihm immer die gleiche Frage.
»Mir geht’s gut«, antwortete Bourne, »aber das kann man von den ursprünglichen Besitzern des Autos nicht sagen.«
»Brillant.«
Bourne stellte ihn sich in seinem Labor im Nordosten von Washington D.C. vor, ein groß gewachsener energiegeladener Mann mit den Fähigkeiten eines Zauberers.
Als der Arzt das Haus verließ, gingen auch die anderen hinaus, so dass Bourne und Specter allein im Zimmer waren.
»Ich weiß schon, wer das war«, sagte Specter.
»Ich will trotzdem keinen Hinweis auslassen«, gab Bourne zurück. »Die Zulassung des Cadillacs wird uns irgendetwas sagen, vielleicht etwas, das auch Sie nicht wissen.«
Der Professor nickte sichtlich beeindruckt.
Bourne setzte sich auf das Ledersofa und legte sein Bein auf einen Beistelltisch. Specter ließ sich auf einem Stuhl ihm gegenüber nieder. Draußen jagten die Wolken, vom Wind getrieben, über den Himmel und warfen dabei wechselnde Muster auf den Perserteppich. Bourne sah einen Schatten anderer Art über Specters Gesicht ziehen.
»Professor, was haben Sie?«
Specter schüttelte den Kopf. »Ich muss mich bei
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