Das Bourne-Attentat
im Nebel auf.
»Freut mich, Sie zu sehen, Rodney«, sagte General Kendall.
Feir nickte schweigend und setzte sich neben Kendall.
Rodney Feir war Plan B, der Ersatzmann, der einspringen sollte, falls der Plan mit Rob Batt schiefging. Feir war sogar noch leichter zu gewinnen gewesen als Batt. Der Mann war aus keinerlei patriotischen Gründen ins Geheimdienstgeschäft gegangen. Er ging ganz einfach gern den leichteren Weg. Nicht dass er seine Arbeit nicht gemacht hätte – er machte sie sogar sehr gut. Aber ein Job in einer Regierungsbehörde entsprach einfach seinem Naturell. Er tat grundsätzlich nur das, was ihm nützte. Er war der geborene Opportunist. Mehr als alle anderen in der CI erkannte er, was es geschlagen hatte, und so hatte er nicht lange überlegen müssen, bevor er sich der Sache der NSA verschrieb. Mit dem Tod des Alten war eine Ära zu Ende gegangen. Im Gegensatz zu Batt brauchte er nicht erst irgendeine Loyalität zu überwinden, bevor er sich zu dem Schritt ent- schloss.
Dennoch war es niemals ratsam, sich seiner Sache zu sicher zu sein, und deshalb traf sich Kendall gelegentlich hier mit ihm. Sie saßen zusammen in der Sauna und gingen hinterher in eines der schmuddeligen kleinen Grilllokale, die Kendall im südöstlichen Teil des Bezirks kannte.
Es waren keine Restaurants, sondern höchstens Grillplätze hinter dem Haus, wo der Grillmeister stundenlang seine Fleischstücke zubereitete – Rippchen, Bruststücke, milde und scharfe Würstchen, manchmal sogar ein ganzes Schwein. Die abgenutzten hölzernen Picknicktische mit den vier oder fünf Saucen, die mit verschiedenen Zutaten und in unterschiedlicher Schärfe zubereitet waren, waren eher eine Draufgabe. Die meisten Leute ließen sich das Fleisch zum Mitnehmen einpacken. Nicht Kendall und Feir. Sie setzten sich an einen Tisch, aßen und tranken Bier, während sich die Knochen und die zerknüllten Servietten neben den Weißbrotscheiben anhäuften, die so weich waren, dass sie sich unter ein paar Tropfen Sauce auflösten.
Hin und wieder hörte Feir zu essen auf, um Kendall ein paar Neuigkeiten mitzuteilen, die er in den CI-Büros gehört hatte. Kendall nahm alles mit seinem zielgerichteten militärischen Verstand auf und stellte gelegentlich eine Frage, damit Feir den einen oder anderen Punkt präzisierte, vor allem wenn es um die Aktivitäten von Veronica Hart und Soraya Moore ging.
Danach fuhren sie in eine ehemalige Bibliothek zum Höhepunkt des Abends. Das Gebäude im Renaissance-Stil war zu einem Schnäppchenpreis von Drew Davis gekauft worden, einem Geschäftsmann aus der Gegend, der nur hier in diesem Viertel bekannt war, was ihm nur recht sein konnte. Er gehörte zu den Leuten, die ausgebufft genug waren, der Metro Police nicht aufzufallen. Dies war hier im Southeast-Viertel gar nicht so einfach, weil er so wie fast alle, die hier lebten, schwarz war. Doch im Gegensatz zu den anderen hatte er einflussreiche Freunde. Das verdankte er vor allem seinem Lokal, dem The Glass Slipper.
Im Grunde handelte es sich um einen legalen Musikclub, und einen äußerst erfolgreichen obendrein, in dem viele Größen des Rhythm and Blues auftraten. Aber in den Hinterzimmern spielte sich das eigentliche Geschäft ab – ein exklusives Bordell, das auf farbige Frauen spezialisiert war. Diejenigen, die über diesen Geheimtipp Bescheid wussten, konnten hier zwischen allen möglichen Hautfarben wählen. Die Preise waren saftig, doch das schien niemanden zu stören, zum Teil auch weil Drew Davis seine Mädchen gut bezahlte.
Kendall besuchte dieses Bordell seit seinem letzten Jahr an der Universität. Er war eines Nachts mit einigen Kumpels hierhergekommen, die über gute Beziehungen verfügten. Er hatte eigentlich nicht mitkommen wollen, doch sie bestanden darauf, und er wusste, wie sehr sie ihn aufziehen würden, wenn er die Einladung ausschlug. Zu seiner Überraschung wurde er zum Stammkunden und fand immer mehr Geschmack an seinen kleinen Abenteuern. Zuerst sagte er sich, dass es nur die körperliche Anziehung war. Dann wurde ihm klar, dass er einfach gern hier war; niemand belästigte ihn oder machte sich über ihn lustig. Später halfen ihm die Besuche hier, mit seiner Rolle als Außenseiter fertig zu werden, die er gegenüber Machtbesessenen wie Luther LaValle einnahm. Verdammt, sogar der gescheiterte Rob Batt war in Yale Mitglied von Skull & Bones gewesen. Nun, hier im Glas Slipper habe ich mein Skull & Bones, dachte Kendall, als er ins Hinterzimmer
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