Das Bourne-Attentat
zahlte für fünfzehn Minuten an einem Computerterminal und tippte »Kitajski Ljotschik« ein. Kitajski Ljotschik Dschao Da, so der volle Name, oder »Der chinesische Pilot«, stellte sich als In-Club am Lubjanski Projesd 25 heraus. Bourne stieg am Metro-Bahnhof Kitaj-Gorod aus. Auf einer Seite war ein zugefrorener Kanal, auf der anderen eine Reihe von unterschiedlichen Gebäuden. »Der chinesische Pilot« war nicht zu verfehlen bei all den BMWs, Mercedes und Porsches sowie den allgegenwärtigen Privattaxis. Die Menge hinter einem Samtseil wurde von grimmig drein- blickenden Schlägertypen im Zaum gehalten. Bourne trat zu einem roten Porsche Cayenne und klopfte ans Fenster. Als der Fahrer das Fenster herunterließ, hielt ihm Bourne dreihundert Dollar hin.
»Wenn ich aus dieser Tür herauskomme, ist das mein Wagen, okay?«
Der Fahrer starrte das Geld gierig an. »Er gehört Ihnen, mein Herr.«
In Moskau sagten amerikanische Dollar mehr als Worte.
»Und wenn Ihr Kunde vorher herauskommt?«
»Das wird er nicht«, versicherte ihm der Fahrer. »Er ist im Champagner-Zimmer und kommt sicher nicht vor vier Uhr zurück.«
Weitere hundert Dollar brachten Bourne an der ungeduldigen Menge vorbei. Im Lokal aß er einen mittelmäßigen orientalischen Salat und Hähnchenbrust mit Mandelkruste. Von seinem Platz an der Bar aus sah er die russischen Silowiki mit ihren jungen, mit Diamanten behängten Mädchen, den djewotschka. In Russland mochte sich manches geändert haben seit der Sowjetzeit, doch Bourne wusste, dass in vielen Bereichen immer noch dieselben Leute an der Macht waren, die häufig aus KGB-Kreisen kamen. Die Silowiki – eine Bezeichnung, die sich von dem russischen Wort für »Macht« ableitete – waren Männer aus den mächtigen Ministerien, den Geheimdiensten und den Streitkräften, die in der Putin-Ära groß geworden waren. Sie waren die neue Machtelite, nachdem sie die Oligarchen aus der Jelzin-Zeit verdrängt hatten. Doch egal, ob Silowiki oder Mafiosi – sie waren oft nichts als Verbrecher, die auch vor Erpressung und Mord nicht haltgemacht hatten, um ihre Ziele zu erreichen. Viele dieser Leute hatten Blut an ihren Händen, und Schuldgefühle waren ihnen fremd.
Bourne blickte sich nach Gala Nematova um und war überrascht, etwa ein halbes Dutzend Mädchen zu finden, die infrage kamen, besonders bei dem gedämpften Licht. Es war schon erstaunlich, wie viele groß gewachsene, schlanke Frauen man hier sah, eine schöner als die andere. Es gab eine Theorie, die eine Art Darwinismus darstellte – das Überleben der Hübschesten – und die erklärte, warum es so viele verblüffend schöne Mädchen in Russland und der Ukraine gab. Wenn man im Jahr 1947 als junger Mann in diesen Ländern lebte, so hatte man ein Blutbad von historischen Dimensionen an der männlichen Bevölkerung überlebt. Diese Männer konnten sich nun die Frauen wirklich aussuchen. Und mit was für einer Frau hatten sie letztlich eine Familie gegründet? Die Antwort lag auf der Hand – und deshalb gab es hier und in allen anderen russischen Nachtklubs so viele schöne Mädchen.
In dem Gewühl auf der Tanzfläche war es schwer, einzelne Gesichter zu erkennen. Als Bourne ein rothaariges Mädchen allein sah, ging er zu ihr und fragte sie mit einem Handzeichen, ob sie tanzen wolle. Die ohrenbetäubende Musik, die aus den riesigen Lautsprechern dröhnte, machte selbst Smalltalk praktisch unmöglich. Sie nickte, nahm seine Hand, und sie drängten sich mühsam auf die Tanzfläche. Die folgenden zwanzig Minuten hätten leicht eine harte Trainingseinheit ersetzen können. Es wurde nonstop getanzt, und das Wummern der Musik, die eine Moskauer Band namens Tequilajazz machte, setzte keine Sekunde aus.
Über den Rotschopf hinweg erblickte Bourne wieder einmal ein blondes Mädchen, das sich aber in gewisser Weise von den anderen unterschied. Er nahm seine Tanzpartnerin an der Hand und kämpfte sich tiefer in die Menge der Tanzenden hinein. Der Geruch von Parfüm, von Rasierwasser und säuerlichem Schweiß lag in der Luft.
Immer noch tanzend, kämpfte sich Bourne weiter, bis er sich sicher war. Das blonde Mädchen, das mit einem breitschultrigen Gangster tanzte, war wirklich Gala Nematova.
»Es wird nie mehr so sein wie vorher«, sagte Dr. Mitten.
»Was zum Teufel soll das heißen?« Anthony Prowess saß auf einem unbequemen Stuhl in dem NSA-Safehouse außerhalb von Moskau und fuhr den Augenarzt gereizt an, der sich über ihn beugte.
»Mr. Prowess,
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