Das Bourne Duell
sich mit untergeschlagenen Beinen ans andere Ende des Sofas. »Ich wäre gern hier im Wohnzimmer, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Er nickte.
»Sie haben mir gar nichts über sich erzählt.«
Bourne sagte nichts; er hatte wenig Lust, sie anzulügen.
Draußen fuhr ein Auto vorbei, dann noch eins. Ein Hund bellte in der Stille. Die Stadt schien wie zu Eis erstarrt, so als würde nicht einmal mehr ihr Herz schlagen.
Der Hauch eines Lächelns umspielte ihre Lippen. »Genau wie Tracy.«
Nach einer Weile wurden ihre Augenlider schwer. Sie rollte sich zusammen wie eine Katze, den Kopf auf die Arme gelegt, seufzte, und wenige Augenblicke später schlief sie tief und fest. Es dauerte nicht lange, bis auch er einschlief.
»Du musst verrückt sein«, sagte Soraya Moore. »Ich werde Arkadin nicht verführen – nicht für dich, nicht für Willard und auch für sonst niemanden.«
»Nun, ich versteh ja deine Bedenken«, sagte Marks. »Aber …«
»Nein, Peter, das glaube ich nicht. Du verstehst anscheinend gar nichts. Sonst käme da kein Aber .«
Sie stand auf und trat ans Geländer. Sie hatten sich
am Kanal in Georgetown auf eine Bank gesetzt. Die Lichter glitzerten, und die Boote lagen ruhig auf ihren Liegeplätzen. Hin und wieder hörte man Gelächter von einer Gruppe von Teenagern; sie schienen sich gegenseitig SMS zu schicken. Die Nacht war angenehm mild, nur einige wenige Wolken zogen über den schmutzig aussehenden Himmel.
Marks stand auf und trat zu ihr. Er seufzte, als wäre er derjenige, dem unrecht getan wurde, was sie nur noch wütender machte.
»Wie kommt es«, sagte sie aufgebracht, »dass Frauen so abschätzig behandelt und von den Männern immer wieder auf ihren Körper reduziert werden.«
Es war keine Frage, das wusste Marks. Er vermutete, dass ihr Zorn zu einem guten Teil auch daher rührte, dass gerade er es war, der das von ihr wollte – ein guter Freund, dem sie vertraut hatte. Aber Willard hatte das bestimmt alles vorhergesehen. Er wusste, dass Soraya die Aufgabe als beleidigend empfinden würde und dass Marks der Einzige war, der sie überreden konnte. Hätte Willard sie selbst damit konfrontiert, davon war Marks überzeugt, dann hätte sie ihm klipp und klar gesagt, dass er sich zum Teufel scheren soll, und wäre gegangen, ohne noch einmal zurückzublicken. Und doch stand sie jetzt hier, wütend zwar, aber dass er sich zum Teufel scheren solle, hatte sie noch nicht gesagt.
»Sicher«, sagte er, »die Frauen wurden in der Geschichte immer wieder von Männern unterdrückt, aber sie haben immer auch ihre Mittel und Wege gefunden, um zu bekommen, was sie wollten: Geld, Macht, eine Position mit Verantwortung in einer männlich dominierten Gesellschaft.«
»Du brauchst mir keinen Vortrag zu halten über die Rolle der Frauen in der Geschichte«, versetzte sie gereizt.
Marks zog es vor, ihre Bemerkung zu ignorieren. »Du kannst nicht bestreiten, dass Frauen eine einzigartige Fähigkeit besitzen.«
»Was soll das heißen – einzigartig? «
»Die Fähigkeit, Männer anzuziehen, zu verführen, ihre Schwachstellen zu finden und sie gegen sie einzusetzen. Du weißt besser als ich, dass Sex eine mächtige Waffe sein kann. Im Geheimdienstgeschäft gilt das noch mehr als überall sonst.« Er wandte sich ihr zu. »Und das ist nun mal unser Geschäft.«
»Herrgott, du klingst wie ein richtiger Arsch«, sagte sie, ans Geländer gelehnt.
Marks zog sein Handy heraus, rief ein Bild von Arkadin auf und reichte es ihr. »Gut aussehender Hundesohn, was? Soll recht anziehend sein, was man so hört.«
»Du kotzt mich an.«
»Eine solche Wut passt gar nicht zu dir.«
»Aber dass ich Arkadin ficke, schon?« Sie wollte ihm das Handy in die Hand drücken, doch er nahm es nicht.
»Auch wenn du dich noch so dagegen wehrst – du bist nun mal drin im Spionagegeschäft. Das ist das Leben, das du dir selbst ausgesucht hast. Niemand hat dich dazu gezwungen.«
»Nein? Was versuchst du denn gerade bei mir?«
Er ging ein kalkuliertes Risiko ein. »Ich zwinge dich zu nichts. Du kannst jederzeit gehen.«
»Und was dann? Ich habe nichts, überhaupt nichts.«
»Du kannst nach Kairo zurückgehen, Amun Chalthoum heiraten, Kinder haben.«
Er sagte es nicht unfreundlich, aber für sie klang es trotzdem grausam, so als wäre das die einzige Alternative, die ihr noch blieb. Und mit einem Mal wurde ihr so richtig bewusst, was M. Errol Danziger ihr angetan hatte. Sie war in der CI nicht mehr gefragt, das war schon
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