Das Bourne Imperium
Teil des Restaurants, in der Nähe der Küchentür. Als sie Platz genommen hatten, bot ihnen der beständige Strom von Kellnern, die pausenlos durch die Pendeltüren hin und her rasten, perfekte Tarnung.
»Danke, dass du an ein solches Lokal gedacht hast«, sagte Marie.
»Meine Liebe«, erwiderte Catherine Staples mit ihrer kehligen, ausdrucksstarken Stimme, »jemand, der so aussieht wie du, sich so kleidet, wie du jetzt angezogen bist, und sich so schminkt, will offensichtlich in keiner Weise auffallen.«
»Das ist noch milde ausgedrückt, wie es immer heißt. Werden die Leute, mit denen du zum Essen verabredet bist, die Geschichte von der britischen Delegation glauben?«
»Aber sofort. Das Mutterland setzt seine wortgewaltigsten Leute ein. Beijing kauft riesige Mengen Weizen von uns – aber das weißt du ja genauso gut wie ich, und in Dollar und Cent ausgedrückt, vielleicht sogar besser.«
»Ich bin nicht mehr ganz auf dem Laufenden.«
»Ja, verstehe.« Catherine Staples nickte und sah Marie streng und doch freundlich an. Ihre Augen blickten fragend.
»Ich war damals hier, aber wir haben die Gerüchte gehört und auch die europäischen Zeitungen gelesen. Wenn ich sage, dass wir schockiert waren, so ist das wohl nur ein gelinder Ausdruck für das, was diejenigen von uns, die dich gekannt haben, wirklich empfanden. In den Wochen danach versuchten wir alle, mehr zu erfahren, aber man sagte uns, wir sollten uns nicht darum kümmern, das Thema fallen lassen – dir zuliebe. ›Kümmern Sie sich nicht darum‹, hat man uns immer wieder gesagt … ›Es liegt in ihrem größten Interesse, dass Sie sich um nichts kümmern.‹ Natürlich haben wir am Ende gehört, dass du in allen Punkten völlig rehabilitiert worden bist – Herrgott, wie beleidigend das doch nach all dem klingt, was du durchmachen musstest! Und dann bist du einfach vom Erdboden verschwunden, und niemand hat mehr etwas über dich gehört.«
»Man hat dir die Wahrheit gesagt, Catherine. Es lag in meinem Interesse – unserem Interesse – unterzutauchen. Man hat uns monatelang versteckt gehalten, und als wir schließlich wieder leben durften wie andere Leute auch, dann an einem abgelegenen Ort unter einem Namen, den nur wenige kannten. Aber bewacht wurden wir immer noch.«
»Wir?«
»Ich habe den Mann geheiratet, von dem du in den Zeitungen gelesen hast. Natürlich war er nicht der Mann, den die Zeitungen aus ihm gemacht haben; er war ein Untergrundagent der amerikanischen Regierung. Für diesen seltsamen Auftrag hat er einen großen Teil seines Lebens aufgegeben.«
»Und jetzt bist du in Hongkong und sagst mir, dass du in der Klemme steckst.«
»Ich bin in Hongkong und stecke ernsthaft in der Klemme.«
»Darf ich davon ausgehen, dass die Ereignisse des letzten Jahres mit deinen augenblicklichen Problemen in Verbindung stehen?«
»Ich glaube, das darfst du.«
»Was kannst du mir sagen?«
»Alles, was ich weiß, weil ich deine Hilfe brauche. Ich habe nicht das Recht, dich um Hilfe zu bitten, wenn du nicht alles weißt, was ich weiß.«
»Ich mag es, wenn man die Dinge beim Namen nennt. Nicht nur, weil das Klarheit schafft, sondern auch, weil es gewöhnlich den Menschen definiert, der mit einem spricht. Du willst damit auch sagen, dass ich wahrscheinlich überhaupt nichts tun kann, wenn ich nicht alles weiß.«
»So habe ich es nicht gesehen, aber wahrscheinlich hast du Recht.«
»Gut. Ich habe dich auf die Probe gestellt. In der Diplomatie ist heute diese Art von Offenheit gleichzeitig Tarnung und Werkzeug geworden. Man setzt diese Taktik häufig ein, um den Gegner zu entwaffnen. Ich beziehe mich damit auf die jüngsten Informationen aus deinem neuen Vaterland – neu als Ehefrau natürlich.«
»Ich bin Wirtschaftswissenschaftlerin, Catherine, nicht Diplomatin.«
»Wenn du Gebrauch machst von all deinen Talenten, die ich kenne, kannst du in Washington ebenso Karriere machen wie in Ottawa. Aber dann hättest du nicht die Anonymität, die du in deinem neuen Leben brauchst.«
»Wir brauchen sie. Nur darauf kommt es an.«
»Ich habe dich noch einmal auf die Probe gestellt. Du warst nicht ohne Ehrgeiz. Du liebst diesen Mann, den du geheiratet hast.«
»Ja. Ich will ihn finden. Ich will ihn wiederhaben.«
Catherines Kopf ruckte zurück und sie riss die Augen auf. »Er ist hier ?«
»Irgendwo. Das ist ein Teil der Geschichte, die ich dir erzählen will.«
»Ist sie kompliziert?«
»Sehr.«
»Kannst du dich noch etwas gedulden
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