Das Bourne Ultimatum
Monsieur. Dringend. Suchen Sie sich ein Bett, dabei kann ich Ihnen nicht helfen.«
»Ruhe ist eine Waffe«, zitierte Jason eine lebenswichtige
Wahrheit in einer Welt, die er verabscheute, sogar eine überlebenswichtige.
»Wie bitte?«
»Nichts. Ich suche mir also ein Bett und rufe Sie morgen an.«
»Dann bis morgen. Bonne chance, mon ami. Für uns beide.«
Er fand ein Zimmer im Avenir, einem billigen Hotel in der Rue Gay-Lussac. Er trug sich unter einem falschen Namen ein, den er sofort wieder vergaß, stieg zu seinem Zimmer hoch, zog sich aus und fiel ins Bett. »Ruhe ist eine Waffe«, sagte er laut zu sich selbst und starrte auf die flackernden Reflexe der Straße an der Decke. Ob man in einer Höhle im Gebirge oder in einem Reisfeld im Mekong-Delta Schlaf fand, das spielte keine Rolle. Ruhe war eine Waffe, manchmal mächtiger als eine großkalibrige Kanone. Das war eine Lektion, die ihm D’Anjou eingetrichtert hatte, der Mann, der in einem Wald bei Peking sein Leben gelassen hatte, um Jason Bourne zu retten. Ruhe ist eine Waffe. Er berührte die Bandage um seinen Hals, ohne sie wirklich zu fühlen, dann kam der Schlaf.
Er wachte langsam auf, vorsichtig. Das Geräusch des Straßenverkehrs drang durchs Fenster, metallisches Hupen, unregelmäßiges Aufheulen wütender Motoren... Ein normaler Morgen in den engen Straßen von Paris. Mit steifem Hals schwang er die Beine aus dem viel zu weichen Bett und sah auf die Uhr. Er erschrak. Es war 10.07 Uhr - Pariser Zeit. Er hatte beinahe elf Stunden geschlafen. Sein Magen knurrte vor Hunger.
Das Essen musste allerdings warten. Er wollte vorher Bernardine anrufen und dann das Hotel Pont-Royal daraufhin untersuchen, ob es sicher genug war. Er stand vollends auf. Einen Moment lang fühlten sich Beine und Füße taub an. Er brauchte eine heiße Dusche, die er im Avenir nicht bekommen konnte. Und ein paar Gymnastikübungen - noch vor ein paar Jahren hätte er die nicht nötig gehabt. Er zog Bernardines Karte aus seiner Hose und ging zum Telefon neben dem Bett. Dann wählte er die Nummer.
»Le canard hatte keinen Besuch«, sagte der Veteran. »Nicht den Hauch eines Jägers, was, wie ich annehme, gute Nachrichten sind.«
»Nicht, solange wir Panov nicht gefunden haben. Diese Bastarde!«
»Ja, damit müssen wir immer rechnen. Das ist der schlimmste Aspekt unserer Arbeit.«
»Verdammt, ich kann über einen Mann wie Panov nicht mit einem ›Damit muss man immer rechnen‹ hinweggehen!«
»Das verlange ich auch nicht von Ihnen. Ich habe nur gesagt, wie es ist. Ihre Gefühle in Ehren, aber sie ändern nicht die Realität. Ich wollte Sie nicht verletzen.«
»Und ich wollte Ihnen nicht über den Mund fahren. Tut mir Leid. Es ist nur, er ist ein ganz besonderer Mensch.«
»Ich verstehe... Was sind Ihre Pläne? Was brauchen Sie?«
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete Bourne. »Ich hole den Wagen, und eine Stunde später oder so weiß ich mehr. Werden Sie zu Hause oder im Bureau sein?«
»Bis ich von Ihnen höre, werde ich in meiner Wohnung bleiben, an meinem einmaligen Telefon. Unter diesen Umständen ziehe ich es vor, dass Sie mich nicht im Bureau anrufen.«
»Ah, ja?«
»Ich kenne nicht mehr alle im Deuxieme, und Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste... Bis später, mon ami.«
Jason legte auf und war versucht, gleich anschließend im Pont-Royal anzurufen. Aber er war in Paris, der Stadt der Diskretion, wo Hotelangestellte über Telefon nur ungern Auskünfte erteilten, und schon gar nicht Gästen, die sie nicht kannten. Er zog sich schnell an, ging hinunter, bezahlte und trat auf die Rue Gay-Lussac hinaus. An der Ecke war ein Taxistand. Acht Minuten später sagte er in reinstem Französisch zum Portier des Pont Royal: »Ich bin Monsieur Simon, und ich wohne hier.« Er gab seine Zimmernummer an. »Ich traf eine alte Freundin und bin heute Nacht außer Haus geblieben. Wissen Sie vielleicht, ob jemand nach mir gefragt hat?« Bourne holte mehrere größere Francscheine heraus.
» Merci bien, monsieur... Ich verstehe. Ich kann den Nachtportier noch mal fragen; aber ich bin sicher, dass er mir eine
Notiz hinterlassen hätte, wenn jemand persönlich nach Ihnen gefragt hätte. Allerdings ist hier tatsächlich eine Nachricht für Sie.«
»Was steht auf dem Zettel?«, fragte Bourne und hielt den Atem an.
»Sie sollen Ihren Freund in Amerika anrufen. Er hat die ganze Nacht versucht, Sie zu erreichen. Ich kann das nur bestätigen, Monsieur. Der letzte Anruf
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