Das Bourne Ultimatum
habe noch etwas Zeit, und ich möchte mich mal umsehen.«
Der ehemalige Richter vom Obersten Gericht in Boston, der frühere Honorable Brendan Patrick Prefontaine, beobachtete den weinenden, untröstlichen Randolph Gates, wie er, nach vorn gebeugt, auf der Couch im Ritz-Carlton saß, das Gesicht in den Händen verborgen.
»O du gütiger Gott, wie schnell es doch bergab mit einem gehen kann«, bemerkte Brendan und schenkte sich einen Whisky on the rocks ein. »Haben sie dich also in einen Hinterhalt gelockt, auf französische Weise, Randy. Dein wendiger Verstand und dein königliches Auftreten haben wohl nicht viel geholfen, wie? Du hättest von Anfang an lieber bei deinen Leisten bleiben sollen.«
»Mein Gott, Prefontaine, du weißt nicht, was das für ein Gefühl ist! Ich hatte ein ganzes Kartell eingerichtet - Paris, Bonn, London, New York, mit den Arbeitsmärkten des Fernen Ostens -, ein Unternehmen, das Milliarden wert war, und dann wurde ich entführt, in ein Auto gesteckt, wo man mir die Augen verband. In ein Flugzeug hat man mich verfrachtet und nach Marseilles geflogen, wo mir die schrecklichsten Dinge passierten. Ich wurde in ein Zimmer eingesperrt, und alle paar Stunden bekam ich eine Spritze - über sechs Wochen! Man brachte Frauen herein und machte Filme. Ich war nicht ich selbst!«
»Vielleicht warst du das Selbst, das du niemals anerkennen wolltest, Dandy Boy. Dasselbe Selbst, das gelernt hat, profitable Gratifikationen vorauszuahnen, wenn ich das Wort so richtig benutze. Deinen Kunden außerordentliche Profite zu verschaffen, die sie an den Börsen einsetzen konnten, wodurch Tausende von Jobs draufgingen. O ja, mein teurer Royalist, das gibt Gratifikationen.«
»So war es nicht, Richter...«
»Wie schön, diese Anrede wieder zu hören. Dank dir, Randy.«
»Die Gewerkschaften wurden zu stark. Die Industrie verkümmerte. Viele Unternehmen mussten nach Übersee gehen, um zu überleben!«
»Wir kommen vom Thema ab... Du bist aus deinem Gefängnis in Marseilles also als Drogenabhängiger herausgekommen - und dann gab es diese Filme, die den bedeutenden Anwalt in kompromittierenden Situationen zeigten.«
»Was konnte ich tun?«, schrie Gates. »Ich war ruiniert!«
»Wir wissen, was du getan hast. Du wurdest zum Vertrauensmann des Schakals in der Welt der Hochfinanz, einer Welt, in der Wettbewerb unerwünschtes Gepäck ist, das man besser unterwegs verliert.«
»So hat er mich überhaupt erst gefunden. Das Kartell, das wir bildeten, wurde von japanischen und taiwanesischen Interessen bekämpft. Sie haben ihn angeheuert... O mein Gott, er wird mich umbringen!«
»Noch mal?«, fragte der Richter.
»Was?«
»Er glaubt, dass du bereits tot bist - dank meiner Person.«
»Ich habe wichtige Fälle vor mir, zum Beispiel ein Kongress-Hearing in der nächsten Woche. Er wird erfahren, dass ich lebe!«
»Nicht, wenn du einfach wegbleibst.«
»Ich muss! Meine Kunden erwarten...«
»Also«, unterbrach ihn Prefontaine, »wird er dich umbringen. Tut mir ja Leid, Randy.«
»Was soll ich denn nur machen?«
»Es gibt einen Ausweg, nicht nur für den Moment, sondern auch für die Zukunft - allerdings nicht ganz ohne Opfer. Da ist erst einmal eine lange Genesungszeit in einem privaten Rehabilitationszentrum und davor noch deine vollständige Kooperation, ab sofort. Du verschwindest von der Bildfläche, und wir eliminieren Carlos, den Schakal. Dann bist du frei, Randy.«
»Ich bin mit allem einverstanden.«
»Wie erreichst du ihn?«
»Ich habe eine Telefonnummer!« Gates fummelte nach seiner Brieftasche, riss sie aus seiner Jacke und holte mit zittrigen Fingen einen Zettel hervor. »Nur vier Leute haben sie!«
Prefontaine nahm seinen ersten Zwanzigtausend-Dollar-Scheck entgegen, befahl Randy, nach Hause zu gehen, Edith um Verzeihung zu bitten und sich darauf vorzubereiten, Boston am nächsten Tag zu verlassen. Brendan hatte von einem Sanatorium in Minneapolis gehört, wo reiche Leute inkognito Hilfe bekamen. Er würde die Details am Vormittag ausarbeiten und ihn anrufen und natürlich eine zweite Zahlung für seine Dienste erwarten. Kaum dass ein niedergeschlagener Gates das Zimmer verlassen hatte, ging Prefontaine zum Telefon und rief John St. Jacques auf Tranquility an.
»John, hier ist der Richter. Stellen Sie keine Fragen. Ich habe eine wichtige Information, die für den Mann Ihrer Schwester von unschätzbarem Wert sein kann. Ich kann ihn nicht erreichen, aber ich weiß, dass er mit jemandem
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