Das Bourne Ultimatum
eine Karte - es gibt immer Karten -, und jeder von uns muss diese Scheißlandstraßen zum Zielort nehmen, als würde man den Präsidenten oder einen don superiore zu einem Treffen in den Apalachen fahren... Geben Sie mir den Block mal rüber und einen Bleistift, und ich gebe Ihnen den Ort genau, mitsamt dem Messingschild an der steinernen Pforte.« Der Mafioso hob den Arm ohne Gips und richtete den Zeigefinger auf den DCI. »Ich werde richtig aussagen, Mr. Großkopf, weil ich nicht mit den Fischen schlafen will, capisce ?«
»Aber du willst es nicht auf Band sprechen«, sagte Holland mit irritierter Veränderung des Tons. »Warum nicht?«
»Band, Scheiße! Wie haben Sie es genannt? Interagentur-Originalscheiß?
Was glauben Sie eigentlich... dass unsere Hacker hier nicht reinkommen? Haha! Euer verdammter Doktor könnte einer von uns sein!«
»Ist er aber nicht, aber wir kommen noch auf einen Armeearzt, der es ist.« Peter Holland griff zu dem Block und dem Stift auf dem Tisch neben dem Bett und reichte beides Dellacroce. Er widersprach nicht, als er den Recorder wieder einstellte. Das Geplänkel war vorbei, es wurde ernst.
In New York City, in der 138. Straße zwischen Broadway und Amsterdam Avenue, dem Zentrum von Harlem, schwankte ein großer, ungepflegter Schwarzer, etwa Mitte Dreißig, den Bürgersteig entlang. Er torkelte gegen die abbröckelnde Ziegelsteinmauer eines heruntergekommenen Wohnblocks und schlug auf das Pflaster, mit ausgestreckten Beinen, das unrasierte Gesicht an den rechten Kragen seines abgewetzten Armeehemdes gewinkelt.
»Bei dem Anblick, der sich mir bietet«, sagte er ruhig in das Minimicro unter dem Kragen, »könnte man denken, ich sei ins Einkaufszentrum der weißen Geldsäcke von Palm Springs geraten.«
»Du machst es wunderbar«, kam eine metallische Stimme über den winzigen Lautsprecher am hinteren Kragen des Agenten.
»Wir haben das Gelände gesichert. Wir werden dich gut im Auge behalten. Der Anrufbeantworter hier ist so voll, dass er schon dampft.«
»Wie seid ihr beiden Süßen in das Loch da drüben gekommen?«
»Sehr früh am Morgen, so früh, dass uns niemand angesehen hat.«
»Schade, dass ich nicht warten kann, um euch wieder rauskommen zu sehen. Ist ja’n richtiggehendes Nadelöhr, wie ich das sehe. Übrigens, sind die Bullen in diesem Abschnitt auf dem Laufenden? Ich hätte es gar nicht gerne, wenn sie mich mit der Borste im Gesicht einkassieren würden. Es juckt wie verrückt, und meine frischgebackene Ehefrau kann das gar nicht leiden.«
»Wärst du mal bei deiner ersten geblieben, Kumpel.«
»Du komischer kleiner Weißer. Sie mochte weder meine Arbeitszeiten noch die ganze Reiserei. Wenn ich zum Beispiel gleich für’n paar Wochen zwei, drei Spielchen in Simbabwe machen musste. Antworte mir.«
»Die Blauröcke haben deine Beschreibung und das Szenario. Du unterstehst der Bundesregierung. Sie werden dich also in Ruhe lassen... Bleib dran! Gespräch beendet. Da kommt er. Das muss unser Mann sein... Er hat eine Telefontasche an seinem Gürtel... Er ist es. Er geht auf den Eingang zu. Jetzt liegt’s an dir, Kaiser Jones.«
»Du komischer kleiner Weißer... Ich seh ihn jetzt auch und kann euch sagen, dass er weich wie mousse au chocolat ist. Der scheißt sich in die Hosen, ehe er in den Palast da reingeht.«
»Was heißt, dass er echt ist«, sagte die metallische Stimme. »Das ist gut.«
»Das ist schlecht, Junior«, entgegnete der Schwarze sofort. »Wenn du Recht hast, dann weiß er gar nichts, und die Schichten zwischen ihm und der Quelle sind so dick wie Grönlandeis.«
»Und wie willst du’s dann rausbekommen?«
»Ich muss die Nummern sehen, wenn er sie in sein Sorgenkind eingibt.«
»Was heißt das, verflucht?«
»Er mag echt sein, aber er hat auch eine höllische Angst und nicht wegen des Gebäudes.«
»Was soll das heißen?«
»Man sieht es ihm an. Er könnte falsche Nummern eingeben, wenn er meint, dass man ihm folgt, und er sich beobachtet glaubt.«
»Kapier ich nicht, Kumpel.«
»Er muss die Zahlen eingeben, die mit der Datenzentrale übereinstimmen, damit die Relais aktiviert werden können...«
»Oh, vergiss es«, sagte die Stimme in seinem Kragen. »Das kapier ich doch nicht. Übrigens haben wir einen Mann in der Company, Reco sowieso. Er wartet auf dich.«
»Dann habe ich wohl Arbeit. Aus, aber ihr behaltet mich
dran.« Der Agent erhob sich vom Pflaster und ging heftig wankend in das zerfallene Gebäude. Der Telefonfachmann hatte
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