Das Bourne Ultimatum
in weniger als einer Stunde in Villa zwanzig abspielen würden. Alle Villen auf Tranquility hatten Kerosinlampen für den Fall, dass der Strom ausfiel oder die Generatoren nicht funktionierten. Ein alter Mann, der entweder zur Toilette musste oder einfach Angst hatte vor einem Sturm, wie er im Moment tobte, konnte sehr wohl versuchen, in Panik die Lampe anzuzünden. Tragisch, wenn er dabei in ausfließendes Kerosin fiel
und sein Oberkörper zu schwarzer Kohle verbrannte - ebenso sein Genick, das zuvor garottiert worden war. Tu es , drängte ihre innere Stimme, du musst gehorchen. Ohne Carlos wärst du eine Leiche in Algerien.
Sie würde es tun - sie würde es jetzt tun.
Das heftige Rauschen des Regens auf dem Dach und an den Fenstern und der pfeifende, heulende Wind draußen wurden von einem grellen Blitz unterbrochen, dem ein ohrenbetäubender Donnerschlag folgte.
Jean Pierre Fontaine weinte leise, als er neben dem Bett seiner Frau kniete, nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt, und seine Tränen fielen auf das kalte Fleisch ihres Armes. Sie war tot, und der Zettel neben ihrer steifen rechten Hand sagte alles: Maintenant nous deux sommes libres, mon amour.
Sie beide waren frei. Sie von dem furchtbaren Schmerz, er von dem Preis, den Monseigneur verlangte. Auch wenn sie nie erfahren hatte, welches der Preis für ein paar Jahre Glück gewesen war, hatte sie doch gewusst, dass es zu furchtbar gewesen wäre, ihn zu zahlen. Seit Monaten wusste er, dass seine Frau Pillen besaß, mit denen sie ihr Leben beenden konnte, sollte es unerträglich werden. Er hatte sie oft, manchmal wie ein Besessener, gesucht, hatte sie aber nie finden können. Jetzt wusste er, warum, als er die kleine Schachtel mit ihren Lieblingspastillen entdeckte, harmloses Lakritz, die sie sich vor Jahren oft lachend in den Mund geschoben hatte.
»Du hast Glück, mon cher, dass ich nicht auf Kaviar oder teure Drogen versessen bin!« Nein, kein Kaviar, aber Drogen, tödliche Drogen.
Schritte. Die Schwester! Sie durfte seine Frau nicht sehen! Fontaine erhob sich vom Bett, wischte sich rasch über die Augen und eilte zur Zimmertür. Er öffnete und war beim Anblick der Frau verblüfft. Sie stand direkt vor ihm, mit erhobenem Arm und wollte eben anklopfen.
»Monsieur!... Haben Sie mich erschreckt!«
»Ich glaube, wir haben uns gegenseitig erschreckt.« Jean Pierre schlüpfte hinaus und schloss rasch die Tür hinter sich.
»Regine ist endlich eingeschlafen«, flüsterte er und legte seinen Zeigefinger an die Lippen. »Dieser furchtbare Sturm hat sie die ganze Nacht wach gehalten.«
»Aber er wurde uns vom Himmel gesandt - für Sie -, nicht wahr? Manchmal denke ich, dass Monseigneur solche Dinge bestellen kann.«
»Dann bezweifle ich, dass sie vom Himmel kommen. Dort liegt nicht die Quelle seines Einflusses.«
»An die Arbeit«, unterbrach die Schwester ihn ziemlich barsch. »Sind Sie bereit?«
»Gleich, in wenigen Minuten«, antwortete Fontaine und lief zum Tisch hinüber, in dessen verschlossenem Schuhfach seine Killer-Ausrüstung lag. Er griff in die Tasche und holte den Schlüssel heraus.
»Möchten Sie noch mal die Prozedur mit mir durchgehen?«, fragte sie und drehte sich um.
»Meinetwegen, natürlich. In meinem Alter vergisst man leicht die Details.«
»Ja, gut, auch weil es eine kleine Veränderung gibt.«
»Ach ja?«, fragte der alte Franzose mit hochgezogenen Brauen. »In meinem Alter sind plötzliche Veränderungen nicht mehr sehr willkommen.«
»Es ist nur eine Frage des Timings, nicht mehr als eine Viertelstunde, vielleicht weniger.«
»Eine Ewigkeit bei diesem Geschäft«, sagte Fontaine, als ein weiterer Donnerschlag, nur Millisekunden vom Blitz getrennt, das Prasseln des Regens auf Scheiben und Dach unterbrach. »Es ist gefährlich genug, draußen zu sein. Der Schlag war gefährlich nahe.«
»Wenn Sie das meinen - stellen Sie sich vor, wie sich die Wachen fühlen mögen.«
»Die kleine Veränderung? Könnten Sie das erklären?«
»Ich gebe Ihnen keine Erklärung, außer dass es ein Befehl aus Argenteuil ist und Sie schuld daran sind.«
»Der Richter!«
»Ziehen Sie Ihre eigenen Schlussfolgerungen.«
»Dann wurde er also nicht geschickt, um...«
»Ich sage nicht mehr. Die Änderung ist folgende. Statt von
hier den Weg hoch zu rennen zu den Wachen vor Villa zwanzig und dringende Hilfe für Ihre Frau zu verlangen, werde ich sagen, dass ich vom Empfang komme, wo ich mich über das Telefon beschweren wollte, und
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