Das Bourne-Vermächtnis
Angst. »Dann ist’s möglich, dass Spalko herausbekommen hat, wo ich bin. Es ist möglich, dass er hier auf Kreta ist!«
Keegans Gesicht war wie aus Stein gehauen. »Von dieser Prämisse gehen wir aus.«
Das Entsetzen machte Schiffer aggressiv. »Und?«, fragte er scharf. »Was tun Sie dagegen?«
»Ich lasse die Mauern von Männern mit Maschinenpistolen bewachen, aber ich bezweifle sehr, dass Spalko töricht genug ist, einen Sturmangriff über deckungsloses Gelände zu wagen.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, wenn er hier ist, wenn er’s auf Sie abgesehen hat, Doktor, bietet sich ihm nur eine Möglichkeit.« Keegan stand auf und hängte sich seine MP über die Schulter. »Er muss durchs Labyrinth kommen.«
Spalko, der mit seinen Leuten im Labyrinth unterwegs war, wurde mit jeder Biegung und Abzweigung nervöser.
Für einen Angriff aufs Kloster bildete das Labyrinth den einzig logischen Zugang, was andererseits bedeuten konnte, dass sie geradewegs in einen Hinterhalt marschierten.
Ein Blick auf seine Hand zeigte ihm, dass der Zwirn zu zwei Dritteln abgerollt war. Inzwischen mussten sie direkt unter dem Kloster oder fast in der Mitte der Anlage angelangt sein. Der Faden bestätigte ihm, dass sie im Labyrinth nicht im Kreis gegangen waren. Er glaubte, an jeder Abzweigung den richtigen Weg gewählt zu haben.
Spalko wandte sich an Sina, flüsterte ihr zu: »Ich wittere einen Hinterhalt. Ich möchte, dass du als Reserve hier bleibst.« Er klopfte leicht auf ihren Rucksack. »Sollte es Schwierigkeiten geben, weißt du, was du zu tun hast.«
Sina nickte, und die drei Männer bewegten sich geduckt weiter. Sie waren gerade erst verschwunden, als sie mehrere kurze Feuerstöße aus Maschinenpistolen hörte.
Sina öffnete rasch ihren Rucksack, holte einen Tränengaskanister heraus und folgte ihnen, wobei sie sich an dem Zwirnsfaden orientierte.
Sie roch den beißenden Gestank von Kordit, noch bevor sie die zweite Biegung erreichte. Als sie um die Ecke spähte, sah sie einen Mann ihrer Truppe in einer Blutlache auf dem Felsboden daliegen. Spalko und der zweite Mann wurden durch MP-Feuer festgenagelt. Von ihrem Standort aus konnte sie feststellen, dass es aus zwei verschiedenen Richtungen kam.
Sie zog den Sicherungsstift heraus und warf den Kanister in hohem Bogen über Spalko hinweg. Der Behälter prallte auf, rollte nach links und explodierte leise zischend. Spalko schlug seinem Mann auf den Rücken, und die beiden zogen sich vor den Schwaden des Tränengases zurück.
Sie konnten Husten und Würggeräusche hören. Unterdessen hatten sie alle drei ihre Gasmasken aufgesetzt und waren zu einem zweiten Angriff bereit. Spalko ließ einen weiteren Kanister nach rechts rollen, der dafür sorgte, dass das von dort kommende Feuer verstummte. Leider jedoch erst, nachdem sein letzter Mann von drei Kugeln in Brust und Hals getroffen worden war. Er brach mit Blutblasen zwischen seinen schlaffen Lippen zusammen.
Spalko und Sina trennten sich, stießen nach links und rechts vor und erledigten die kampfunfähigen Söldner –
jeweils zwei – mit wirksamen Feuerstößen aus ihren Maschinenpistolen. Beide sahen die Treppe zur selben Zeit und hielten darauf zu.
Sean Keegan packte Felix Schiffer, noch während er seinen Männern auf den Mauern zubrüllte, ihre Stellungen zu räumen und ins Hauptgebäude des Klosters zurückzukehren, wohin er seinen verängstigten Schutzbefohlenen jetzt schleppte.
Er hatte augenblicklich reagiert, als er den ersten Hauch von Tränengas wahrgenommen hatte, das aus dem Labyrinth unter ihnen aufstieg. Sekunden später hörte er nochmals hämmerndes MP-Feuer, danach herrschte tödlich hallende Stille. Als die beiden Männer hereingestürmt kamen, dirigierte er sie zu der Steintreppe, auf der er seine anderen Leute ins Labyrinth hinuntergeschickt hatte, wo sie Spalko auflauern sollten.
Keegan hatte jahrelang in der IRA gekämpft, bevor er sich als Söldner selbstständig gemacht hatte, deshalb waren ihm Situationen vertraut, in denen er in der Unterzahl und an Feuerkraft unterlegen war. Tatsächlich genoss er solche Situationen, er betrachtete sie als Herausforderungen, die überwunden werden mussten.
Aber aus dem Hauptgebäude drang inzwischen Rauch
in riesigen dichten Schwaden, aus denen jetzt Feuerstöße aus Maschinenpistolen hämmerten. Seine Männer hatten keine Chance – sie wurden niedergemäht, bevor sie die Killer auch nur identifizieren konnten.
Auch Keegan wartete nicht ab, bis er sie
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