Das Brandhaus - Roman
meine mich zu erinnern, dass Tommy sagte, bei diesem Burschen sei eine Schraube locker. Diese Diagnose ist vermutlich korrekt«, sagte Åsa.
Sie wandte den Blick von den fürchterlichen Fotos ab und sah sich die Computer auf dem Schreibtisch genauer an.
»Der Laptop ist ein iBook. Bei dem Palmtop handelt es sich um einen Fujitsu Siemens Pocket. Wahrscheinlich sind das die gestohlenen Computer, die er im Zug zum Chatten mit den Mädchen benutzt hat.«
Sie nickte Richtung Fenster. Am Rahmen hatte Mattias Eriksson ordentlich die Fotos von Mädchen im Alter von zwölf bis fünfzehn aufgehängt. Åsa zählte.
»Neunzehn Fotos. Eines von My ist auch dabei.«
Ohne weitere Umstände nahm Åsa das Foto von My ab und steckte es in die Tasche. Irene kommentierte das nicht. Es war genauso gut, dass My so diskret wie möglich aus der Ermittlung verschwand.
»Also achtzehn Fotos. Da haben wir auch Alexandra und Moa. Mit den anderen sechzehn hat er wohl gerade den Kontakt etabliert. Ist Lina Lindskog dabei?«, fragte Irene.
Åsa schaute sich die Fotos eines nach dem anderen genau an. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
»Nein. Er hat sie vermutlich nach dem missglückten Entführungsversuch aussortiert.«
»Wahrscheinlich erschien es ihm zu riskant, es ein weiteres Mal zu versuchen. Außerdem hatte er ja noch andere, auf die er zurückgreifen konnte«, stellte Irene fest.
Wie jung sie doch aussahen. Unschuldig. Mehrere waren auf den Fotos ganz oder teilweise nackt zu sehen. Wussten sie eigentlich, was sie da taten? Die Antwort lautete natürlich nein. Wenn ein Siebzehnjähriger ihr Zimmer betreten und sie gebeten hätte, sich auszuziehen, hätten sie das vermutlich abgelehnt. Doch vor einer Webkamera trauten sie sich mehr. Es war ein Spiel und irgendwie unwirklich. Sie hatten nicht das Gefühl, von einem wirklichen Menschen betrachtet zu werden. Sie konnten keinen größeren Irrtum begehen. Es war nicht nur eine Person, die sie anschaute, es waren Hunderte, Tausende, vielleicht sogar Millionen. Die Bilder würden in alle Ewigkeiten im Internet kursieren.
»Hier hat er die Sachen gelagert!«
Åsa leerte die Schreibtischschubladen aus und stapelte DVDs und CDs auf dem Tisch. Die CDs schien er selbst gebrannt zu haben. Die Cover der DVDs verrieten deutlich, worum es sich handelte: um übelste sadistische Pornographie.
»Das überlassen wir alles der Spurensicherung«, sagte Irene.
Plötzlich war sie dies alles leid. Die Polizei führte gegen die neue Technik einen ungleichen Kampf. Sie hinkten Lichtjahre hinterher.
Nach neunzehn Jahren im Morddezernat wusste Irene einiges über die verschiedenen Arten von Mördern. Sie wusste, was sie antrieb und in welchen Fällen man damit rechnen musste, dass sie einen weiteren Mord begehen würden. Mörder von Mattias Erikssons Typ brauchten Nahrung für ihre Fantasien. Im Internet gab es alles, was sie sich nur wünschen konnten. Wie alle Süchtigen benötigten sie eine immer höhere Dosis, um auf Speed zu kommen. Wenn sie dann erst einmal zur Tat schritten, wussten sie recht genau, worauf sie es abgesehen hatten. Sie hatten bereits in der virtuellen Welt geübt. Nach Mattias
Erikssons CD- und DVD-Sammlung zu urteilen war er sehr gut vorbereitet gewesen. Es war nicht daran zu zweifeln, dass er weitergemordet hätte, hätten sie ihn nicht gefasst.
Als der Wagen der Spurensicherung eintraf, verließen sie die Garage.
Sobald sie wieder in ihrem Auto saßen, befiel Irene eine plötzliche Müdigkeit.
»Åsa... könntest du fahren?«, fragte sie.
Åsa sah sie durchdringend an.
»Geht es dir nicht gut?«
Irene berichtete von dem unerwarteten Tod ihrer Mutter. Sie hatte in den vergangenen Nächten nicht sonderlich gut geschlafen, das spürte sie jetzt sehr deutlich. Sie sagte auch, dass sie nach der Arbeit noch zum Bestattungsunternehmen müsse.
»Wie fürchterlich! Deine Mutter kann doch noch gar nicht so alt gewesen sein!«, meinte Åsa.
»Vor ein paar Wochen ist sie immerhin neunundsiebzig geworden.«
»Dann kann sie aber nicht mehr so wahnsinnig jung gewesen sein, als sie dich bekommen hat«, stellte Åsa fest.
»Heutzutage hätte sie vermutlich nicht als alt gegolten, heutzutage sind viele Frauen um die fünfunddreißig, wenn sie ihr erstes Kind bekommen.«
»Als meine fünfunddreißig war, hatte sie bereits vier Kinder, und ich war Nummer vier«, sagte Åsa.
»Stimmt, du hast erzählt, dass du drei ältere Brüder hast.«
»Was glaubst du, warum ich angefangen
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