Das brennende Land
unsere drei Kinder. Da war zunächst Uhtred, unser Ältester, der damals etwa zehn Jahre alt gewesen sein muss, dann Stiorra, seine Schwester, und Osbert, der Jüngste, gerade zwei geworden und unfassbar neugierig. Uhtred war nach mir benannt, so wie ich nach meinem Vater benannt worden war und er nach seinem, aber dieser jüngste Uhtred brachte mich zur Weißglut, denn er war ein bleiches, ängstliches Kind, das immerzu an den Rockschößen seiner Mutter hing. «Dreihundert», antwortete ich. «Nur?»
«Alfred hat genügend Männer. Ich muss eine Garnisonsbesatzung hierlassen.»
Gisela zuckte zusammen. Sie war wieder schwanger, und bis zur Geburt konnte es nicht mehr lange dauern. Sie sah meinen besorgten Blick und lächelte. «Ich spucke Kinder aus wie Kirschkerne. Wie lange dauert es, bis du Haralds Männer besiegt hast?»
«Einen Monat?»
«Dann wird die Geburt vorüber sein», sagte sie, und ich berührte den geschnitzten Thorshammer, der um meinen Hals hing. Gisela lächelte mich erneut an. «Ich habe Glück, was Geburten angeht.» Und das stimmte. Die Geburten unserer Kinder waren leicht gewesen, und alle drei hatten überlebt. «Wenn du zurückkommst, schreit hier ein neuer Säugling herum», sagte sie, «und du hältst dir die Ohren zu.»
Ich beantwortete diese Wahrheit mit einem kurzen Lächeln, dann drückte ich den Ledervorhang zur Seite und trat auf die Terrasse hinaus. Es war dunkel. Auf der anderen Seite des Flusses, dort, wo die Festung über die Brücke wachte, schimmerten ein paar Lichter, die sich im Wasser brachen. Im Westen zeigte sich in einem Wolkenspalt ein purpurfarbener Streifen. Der Fluss rauschte zwischen den engstehenden Brückenpfeilern hindurch, doch davon abgesehen war es still in der Stadt. Nur gelegentlich hörte man einen Hund bellen oder Gelächter aus einer Küche dringen. Der
Seolferwulf,
der an der Anlegestelle neben dem Haus vertäut war, bewegte sich knarrend in einer leichten Brise. Ich blickte flussabwärts, wo ich am Ende der Stadt einen kleinen Turm aus Eichenholz am Ufer hatte errichten lassen. Von diesem Turm aus hielten Tag und Nacht Männer nach den tierköpfigen Schiffen Ausschau. Auf dem Turm war noch kein Warnfeuer zu sehen. Alles war ruhig. Die Dänen waren in Wessex, und Lundene schlief.
«Wenn das vorbei ist», sagte Gisela vom Türdurchgang aus, «sollten wir vielleicht in den Norden gehen.»
«Ja», sagte ich. Dann drehte ich mich zu ihr um. Sie war eine Schönheit mit schmalem Gesicht und dunklen Augen, eine Dänin wie ich, und sie war des Christentums in Wessex überdrüssig. Ein Mann sollte Götter haben, und vielleicht ergibt es Sinn, nur einen einzigen Gott anzuerkennen, aber warum dann ausgerechnet einen, der es so sehr liebt, seine Anhänger zu strafen? Der Christengott war nicht unser Gott. Aber wir waren gezwungen, unter Menschen zu leben, die ihn fürchteten und uns verdammten, weil wir zu anderen Göttern beteten. Doch ich hatte Alfred Treue geschworen, und so blieb ich dort, wo er mir zu bleiben befahl. «Er kann nicht mehr lange leben», sagte ich.
«Und wenn er stirbt, bist du frei.»
«Ich habe niemand anderem einen Schwur geleistet.» Das war ehrlich gemeint. Doch in Wahrheit hatte ich längst einen anderen Eid geschworen, und dieser Eid würde kommen und mich finden, aber er war an diesem Abend meiner Erinnerung so fern, dass ich glaubte, ich hätte Gisela wahrheitsgemäß geantwortet.
«Und wann stirbt er?»
«Wir gehen nach Norden», sagte ich. Nach Norden, zurück zum Stammsitz meiner Ahnen an der northumbrischen Küste, zurück in das Haus, das sich mein Onkel angeeignet hatte. Nach Norden zur Bebbanburg, nach Norden in das Land, in dem Heiden ohne das ständige Genörgel des angenagelten Christengottes leben konnten. Wir würden nach Hause gehen. Ich hatte Alfred lange genug gedient, und ich hatte ihm gut gedient, aber jetzt wollte ich nach Hause gehen. «Ich verspreche es», erklärte ich Gisela, «auf mein Wort, wir werden nach Hause gehen.»
Und die Götter lachten.
Wir überquerten die Brücke in der Morgendämmerung, dreihundert Krieger und noch einmal halb so viele Knaben, die sich um die Pferde kümmerten und zusätzliche Waffen trugen. Die Hufe dröhnten laut auf der behelfsmäßigen Brücke, als wir auf die Rauchsäulen zuritten, die vom Überfall auf Wessex kündeten. Wir ritten durch das weite Marschland, auf dem der Fluss bei Flut schwarz in den Senken steht, und erstiegen die sanften Hügel dahinter. Ich hatte
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