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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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für Touristen herausgefunden hatten, wo wir waren. Der rote Punkt auf der Karte war fast zwei Kilometer von der Stelle entfernt, an der wir sein wollten. Sämtliche Straßen sahen gleich aus, überall waren gesichtslose Steinmauern, egal, in welche Richtung wir uns drehten. Prag schwieg. Selbst die betrunkenen Studenten hatten den Kampf aufgegeben und waren in den Pfützen ihres Erbrochenen eingeschlafen.
    Â»Ich wollte ja gar nicht schreien«, rechtfertigte ich mich. »Aber ich dachte, ich würde fallen.«
    Â»Es war nicht deine Schuld, weil du geschrien hast«, meinte Eli. Seine Stimme hallte von den Wänden wider und ich wollte ihm schon sagen, dass er still sein sollte, tat es dann aber doch nicht, weil das paranoid gewirkt hätte. Vielleicht auch nicht – schließlich kann man ja nicht von Paranoia reden, wenn man tatsächlich von jemandem verfolgt wird –, aber es hätte jedenfalls so ausgesehen, als würde ich mich fürchten.
    Außerdem fand ich seine Stimme irgendwie tröstlich.
    Â»Es war deine Schuld, weil du uns mitten in der Nacht zur Synagoge geschleppt hast, um Spiderman zu spielen«, fügte er hinzu.
    Ich griff in die Tasche und nahm den kleinen Lederbeutel in die Hand. »Du hättest ja nicht mitkommen müssen.«
    Â»Und mir den ganzen Spaß entgehen lassen?« Er lachte.
    Â»Dann hältst du das hier also für Spaß?«
    Â»Das hier? Jetzt gerade? In einer mondbeschienenen Nacht mit einem schönen Mädchen neben mir durch ein Paradies zu spazieren? Nein. Selbstverständlich nicht. Das ist grauenhaft.«
    Â»Der Mond scheint doch gar nicht.« Dass er mich schönes Mädchen genannt hatte, ignorierte ich.
    Wir gingen weiter.
    Schließlich kamen wir zur Karlsgasse, der wir zur Brücke folgten. Es war surreal, den breiten Boulevard ohne die Horden von Touristen zu sehen, die sich dort tagsüber gegenseitig auf die Füße traten. Der Aufgang zur Karlsbrücke war fast genauso leer, Wache hielten nur ein übernächtigter Bettler, der sich in eine zerschlissene schwarze Bettdecke gehüllt hatte, und der Altstädter Brückenturm, der einst, wenn ich mich recht erinnerte, mit zwölf abgeschnittenen Köpfen dekoriert gewesen war, die aus toten Ketzeraugen die Stadt angestarrt hatten. Im aufgewühlten Wasser der Moldau spiegelte sich nichts davon.
    Â»Eli, warum bist du hier?« Der Wind fegte über die Brücke und ich versuchte, nicht zu zittern, weil ich Angst hatte, das würde ritterliche Gesten von Eli auslösen. Ich brauchte weder seine Jacke noch seine Arme.
    Â»Weil du vorhin so ausgesehen hast, als würdest du mich auf keinen Fall wieder ins Bett lassen?«
    Â»Nein. Ich meine hier, in Prag. Du hast Chris doch gar nicht gekannt. Du bist kein Verdächtiger. Hinter dir ist niemand her – weder die Polizei noch die Hleda č i . Du musst bei dieser Sache nicht mitmachen. Warum tust du es trotzdem?«
    Â»Weil es meine Aufgabe ist, dich zu beschützen, schon vergessen? Vor… wie hat Janika das genannt? Der Dunkelheit im Herzen der Stadt. Vielleicht bin ich deshalb hier.«
    Â»Du kennst mich doch nicht mal«, erwiderte ich. »Das ist also eher unwahrscheinlich.«
    Â»Vielleicht weil du einen bleibenden Eindruck hinterlässt.«
    Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss, und war froh, dass es dunkel war. »Das bestätigt nur, dass du mich überhaupt nicht kennst. Versuch’s noch mal.«
    Â»Noch ein Grund?«
    Â»Und dieses Mal vielleicht einen, den du nicht einfach so erfindest«, warnte ich ihn. »Einen echten Grund.«
    Â»Wie du gerade zu bedenken gegeben hast, kenne ich dich nicht. Weshalb glaubst du dann, ich würde dir die Wahrheit schulden?«
    Da hatte er recht. Aber so gesehen schuldete ich ihm wenigstens auch nichts.
    Steinfiguren von Heiligen säumten die Brücke, schwarze Silhouetten aus Nichts vor dem Hintergrund der Nacht. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich eine Bewegung, ein Flattern von Schwarz auf Schwarz. Ich hielt die Luft an.
    Doch es war nur eine aufgescheuchte Taube, die wir in ihrem Schlaf gestört hatten.
    Â»Also gut«, meinte Eli schließlich. »Die Wahrheit?«
    Â»Nur zu.«
    Â»Du hast recht.« Er fuhr mit der Hand über das steinerne Brückengeländer, das uns vom Wasser trennte, und blieb dann stehen, um sie auf einen der Heiligen zu legen. »Chris ist für mich

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