Das Buch aus Blut und Schatten

zitterte, doch sie waren so höflich, es zu ignorieren.
    Â»Das ist ein einfacher Code aus vorchristlicher Zeit«, erklärte Max, der es am besten ignorierte. Er suchte einen Stift und ein leeres Blatt Papier. »Man vertauscht den ersten Buchstaben mit dem letzten Buchstaben im Alphabet, dann den zweiten Buchstaben mit dem vorletzten und so weiter. Also Aleph für Taw, Beth für Sin – im lateinischen Alphabet wäre es A für Z, B für Y, verstehst du? Ganz einfach.«
    Ich beugte mich über das Papier, vertauschte die Buchstaben und stückelte die richtige Nachricht zusammen, wofür ich mir mehr Zeit ließ, als ich brauchte. Das Schweigen war eine Befreiung.

    GSV ULIVRTMVI SLOWH GSV PVB.
NZHGVI LU GSV HGZIH, SRH GIRFNKS
DROO GLDVI LEVI GSV VNKRIV.

    URMW SRN RM GSV KOZXV GSZG
UVVOH ORPV SLNV.

    DSVIV DV SZEV MVEVI YVVM GLTVGSVI,
YFG DSVM R ZN GSVIV, BLF ZIV DRGS NV.
    Und auf Englisch:
    The foreigner holds the key. Master of the stars, his triumph will tower over the Empire. Find him in the place that feels like home. Where we have never been together, but when I am there, you are with me.
    Das Fremde ist der Schlüssel. Herr der Sterne, sein Triumph wird das Reich überragen. Finde ihn an dem Ort, der sich wie Zuhause anfühlt. Wo wir nie zusammen waren, doch wenn ich dort bin, bist du bei mir.
    Â»Sehr poetisch«, meinte Adriane.
    Â»Und völlig klar.« Max sprang auf. »Die astronomische Uhr am Rathaus. Die orloj . Kennt ihr die kleinen mechanischen Figuren, die zur vollen Stunde zu tanzen anfangen? Eine davon ist ein Türke. Das Fremde hält den Schlüssel . Das muss es sein.«
    Â»Ich weiß nicht«, erwiderte ich. Irgendwas störte mich daran. »Sie sagt doch, dass sie und ihr Bruder nie zusammen dort gewesen sind – aber sie sind beide in Prag aufgewachsen. Das halte ich für unwahrscheinlich.«
    Â»Hast du eine bessere Idee?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Eli seufzte. »Ich zieh wohl besser wieder mein Spiderman-Kostüm an.«
    Â»Ich mach euch einen Vorschlag«, warf Max ein. »Ihr zwei habt nicht geschlafen. Warum bleibt ihr nicht hier. Das können Adriane und ich übernehmen.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ach ja?«
    Â»Ja. Nora kann hierbleiben und sich ausruhen. Mit ihm.« Er sagte es so, als müsste ich ihm dafür dankbar sein, aber es fühlte sich an wie eine Strafe.
    Â» Er hat nichts dagegen«, meinte Eli spöttisch.
    Â»Das ist doch lächerlich«, wandte ich ein. »Wir sollten zusammenbleiben.«
    Â»Warum?«, fragte Max.
    Ich ließ sie gehen.
    32 Sie waren schon eine Stunde weg, als Eli an meine Tür hämmerte. Ich ignorierte ihn und bemühte mich weiterhin krampfhaft, endlich einzuschlafen.
    Â»Ich muss dir was zeigen!«, brüllte er.
    Ich ließ ihn noch ein oder zwei Minuten hämmern, bevor ich die Tür aufriss. »Verschwinde.«
    Â»Zieh dir Schuhe an. Ich muss dir was zeigen.«
    Â»Ich passe.«
    Â»Wenn du mitten in der Nacht vor meiner Tür stehst, soll ich mit dir gehen, ohne Fragen zu stellen. Aber du kannst nicht mal fünf Minuten mit mir zusammen nach unten gehen, mitten am Nachmittag?«
    In der leeren Lobby zeigte er mir die Wikipedia-Seite für die astronomische Uhr und deutete auf den entscheidenden Absatz.
    Â»Während des Prager Aufstands, in den letzten drei Tagen des Zweiten Weltkrieges, schossen die letzten deutschen Panzer, vom Prager Hügel Letná den neugotischen Ost- und Nordflügel des Rathauses in Brand… Die Astronomische Uhr wurde sowohl durch direkten Beschuss, als auch durch das ausgebrochene Feuer schwer beschädigt.«
    Die Uhr, die jetzt am Altstädter Rathaus hing, war fast eine komplette Rekonstruktion des Originals.
    Â»Das war’s dann wohl«, meinte ich. Mein Magen verhielt sich irgendwie merkwürdig. Erleichterung, Angst, das wären alles verständliche Reaktionen gewesen, aber ich empfand etwas ganz anderes. Ich fühlte mich, als hätte Elizabeth uns im Stich gelassen. Oder wir sie. »Was auch immer sie dort versteckt hat, es ist längst weg.«
    Â»Aber du glaubst doch gar nicht, dass sie es dort versteckt hat«, sagte Eli. »Und ich auch nicht.«
    Â»Du hast Max doch gehört. Was könnte es sonst sein?«
    Â»Im Gegensatz zu Max habe ich gehört, was du gesagt hast«, erwiderte er. »Die Uhr passt nicht. Und ich musste an dieses Herr der