Das Buch aus Blut und Schatten
»Ach. Und was ist mit dir? Was glaubst du?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wen interessiert es, was ich denke?«
»Du sagst es.« Adriane wedelte mit dem Brief vor unserer Nase herum. »Wie wäre es, wenn wir uns jetzt mal mit wichtigeren Angelegenheiten beschäftigen?«
»Mir ist es nicht egal«, warf ich ein. Wenn Max Farbe bekennen musste, sollte Eli das gefälligst auch tun.
Er zögerte. »Ich glaube, mit der Geschichte kann man nicht streiten«, sagte er schlieÃlich. »Und ich glaube, wenn Gott gewollt hätte, dass wir ihn kennen, hätte er sich uns schon mal gezeigt. Ich bin der Meinung, dass Glaube einen inhärenten Wert hat. Im Glauben liegt Macht â weil wir entscheiden können zu glauben.«
Adriane blies ein scharfes Pfft durch die Zähne. »Und wenn Gott gewollt hätte, dass wir fliegen, hätte er uns Flügel gegeben, stimmtâs? Was uns alle zu Sündern macht, weil wir Flugzeuge und Klimaanlagen und Mikrowellen und den ganzen anderen Mist benutzen, den Gott vergessen hat zu erschaffen â oh und hässliche Mädchen haben leider Pech gehabt, kein Make-up, weil Gott offensichtlich nicht gewollt hat, dass ihr hübsch seid.«
»Da ist was dran«, meinte Max. »Gott könnte ja tatsächlich wollen, dass wir ihn kennen, aber nur, wenn wir ihm beweisen, dass wir es wert sind, indem wir herausfinden, wie wir ihn kontaktieren können. Vielleicht ist das Lumen Dei dieser Beweis.«
Ich prustete los.
Ich wollte es nicht, aber es rutschte mir einfach so raus. Wahrscheinlich dachte Max jetzt, ich würde über ihn lachen, und vielleicht war es ja auch tatsächlich so, weil ich über alles lachte, über die Maschine, unsere Diskussion und vor allem über Gott â über seinen Gott, so viel hatte er klargemacht. Vielleicht hatte ich den Blick, den ich dafür erntete, ja verdient.
»Gibt es etwas, das du uns vielleicht mitteilen möchtest?«, erkundigte sich Eli.
Ich schüttelte den Kopf und legte Max eine Hand auf die Schulter. Es tut mir leid , bedeutete das. Jedenfalls hatte es das früher bedeutet. Früher hatten wir uns auch ohne Worte verstanden, und wenn wir geredet hatten, dann über alles. Auch das war klar gewesen. Jetzt hatte ich den Eindruck, als würden wir gar nicht mehr reden, sondern uns nur noch beieinander entschuldigen.
»Sag es«, forderte Max mich auf. Sein Körper fühlte sich steif an unter meiner Berührung.
Also gut.
»Das alles spielt keine Rolle«, sagte ich. Obwohl sie gar nicht diejenigen waren, die ich überzeugen musste. »Selbst wenn es uns gelingt, alle Teile zu finden und das Lumen Dei zusammenzusetzen, ist es einfach nur ein sehr altes Stück Schrott. Es gibt keinen eindeutigen Beweis für etwas, das nicht existiert.«
»Und dieses âºetwasâ¹ wäre dann Gott? Hab ich das richtig verstanden?«, fragte Eli.
»Das wäre Gott. Und weiÃt du, was? Wenn es tatsächlich einen Gott gibt und wenn es derselbe Gott ist, der so scharf drauf ist, dass ihm zu Ehren überall Kirchen gebaut werden, seinetwegen Kriege geführt werden und Leute auf die Knie fallen und ihm sagen, was für ein toller Kerl er doch ist? Wenn diese allmächtige, allwissende Kreatur aus irgendeinem Grund Wert darauf legt, ausgerechnet von mir angebetet zu werden? Dann soll er mir einen Beweis geben. Oder es mir wenigstens nicht übel nehmen, wenn ich mir den Beweis dafür selbst holen will. Du glaubst, es gibt einen Grund dafür, dass Leute ihren Glauben brauchen? Als würde es einen Grund geben für alles, was geschieht? Ja, klar. Gibt es einen Grund dafür, dass Chris sterben musste? Oder dassâ¦Â« Ich schluckte es hinunter. »Oder für den ganzen anderen Mist, den Gott so verzapft? Wenn er will, dass ich ihn anbete, soll er mir das gefälligst erklären. Er soll für das, was er getan hat, die Verantwortung übernehmen. Er soll mir erklären, was an dieser Welt so groÃartig ist und warum ich so dankbar sein sollte für mein tolles Leben.«
Adriane zog ein zerknülltes Papiertaschentuch aus der Tasche und hielt es mir hin.
»Was?«, fragte ich.
»Du weinst.«
»Nein, tu ich nicht.« Doch als ich mir über die Augen fuhr, spürte ich, dass sie feucht waren.
Das Taschentuch nahm ich nicht.
»Atbasch. Hebräisch. Ganz toll. Aber wie hilft uns das weiter?« Meine Stimme
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