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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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erschienen wäre. Das ist Thomas’ Stärke, er erscheint immer dann, wenn man ihn am meisten braucht, vor allem, wenn ich ihn brauche. Johannes hat ihn natürlich wie einen Mistkäfer behandelt, wegen seiner niederen Stellung bei Hofe. Johannes arbeitet unermüdlich für die Interessen unserer Familie, er interveniert beim Kaiser, wenn meine Bitten ignoriert werden, und dafür bin ich ihm dankbar. Doch was diese andere Angelegenheit betrifft, so bin ich zu einer Entscheidung gekommen. Trotz allem, was unsere Mutter glauben mag, gibt es für Dankbarkeit auch eine Grenze.
    Ich weiß, Deine Zeit ist kostbar, mein geliebter Bruder, daher werde ich Dich nicht länger mit meinen kleinen Sorgen belästigen. Wie immer sind Gebete für Deine Gesundheit auf meinen Lippen und in meinem Herzen.
    Prag, 15. November 1598
    Â»Diesen Thomas erwähnt sie zum ersten Mal«, sagte ich. »Allerdings fehlen auch viele von den Briefen. Die Hälfte der Zeit verstehe ich gar nicht, was sie meint.«
    Â»Aber geheiratet hat sie den anderen, oder?«, erkundigte sich Max.
    Ich nickte. 1603 hatte sie Johannes geheiratet, ihm sieben Kinder geschenkt und war bei der Geburt des letzten gestorben. Die Gefahr, die von dem geheimnisvollen »gefährlichen Verbündeten« ausging, war offenbar nichts im Vergleich zu den Risiken und Nebenwirkungen einer Ehe zu einer Zeit ohne Epiduralanästhesie, Antibiotika und vor allem ohne Verhütungsmittel.
    Â»Sie hat aber gesagt, der Verstand sei ihre beste Waffe«, hielt mir Max entgegen.
    Â»Ich weiß.« Das war meine Lieblingsstelle. Sie schrieb in ihren Briefen so oft, dass sie schwach sei, trotzdem war klar, dass sie tief in ihrem Innern wusste, wie stark sie war.
    Â»Es wäre nicht sehr vernünftig gewesen, wenn sie dem reichen Anwalt wegen des Mistkäfers den Laufpass gegeben hätte.«
    Â»Das weiß ich ja auch, aber…«
    Er nickte. »Aber du findest das traurig.«
    So wie er das sagte – nicht so herablassend wie sonst, aber ein bisschen zu verständnisvoll –, klang es so, als wäre ich ein Fan kitschiger Seifenopern, der sich ein Thomas-Elizabeth-Mashup ersehnte (Thozabeth? Elizamas?). »Ich versteh schon, dass romantische Liebe ein Konzept der Neuzeit ist und so und dass eine Ehe damals eine vertragliche Vereinbarung war, daher leuchtet es ein, dass sie den Typ genommen hat, um nicht auf der Straße zu landen. Ich will damit nur sagen, dass…« Den Rest schluckte ich hinunter.
    Â»Was?«
    Â»Vergiss es. Ich hör schon auf.«
    Â»Womit?«
    Â»Mich wie ein totaler Freak über das Liebesleben eines Mädchens auszulassen, das seit vierhundert Jahren tot ist.«
    Max lächelte verhalten. »Du bist hier, weil du das für die Schule brauchst, stimmt’s?«
    Ich nickte.
    Â»Ich bin freiwillig hier«, redete er weiter. »Und das auch noch an einem Freitagabend. Wer von uns beiden ist jetzt der Freak?«
    Â»Schätze mal, du?«
    Â»Du nennst mich einen Freak?«
    Ich brauchte eine Sekunde, bis ich sicher war, dass er einen Scherz machte. Und noch eine, bis mir klar wurde, dass ich anfing, ihn zu mögen. Allerdings nicht so, wie Adriane das angedeutet hatte. Zugegeben, die grünen Augen mit ihren winzigen Sprenkeln waren nicht schlecht, aber im Gegensatz zu Adriane waren sie mir lieber hinter der Brille, die dafür sorgte, dass seine weichen Gesichtszüge mehr Kontur bekamen. Die bräunlich blonden Haare – fast so lang, dass sie ihm über die Augen fielen, wenn er den Kopf senkte, um die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken – waren, um es mit Adriane zu sagen, annehmbar. Aber sie waren auch irgendwie unwichtig.
    Â»Was wolltest du sagen?«, fragte er.
    Â»Wann?«
    Er tippte auf die Briefe. Ȇber Elizabeth.«
    Ihren Namen sagte er so, als wäre sie jemand, den wir kannten, jemand, der schnell mal für ein Stück Pizza weggegangen war und in zehn Minuten wieder da sein würde. »Nur, dass ich es merkwürdig finde, ihre privaten Briefe zu lesen«, meinte ich. »Das ist etwas ganz anderes als Geschichte, als Lincoln oder Hitler oder so. Elizabeth ist…« Mir fiel kein passendes Wort ein.
    Â»Real?«
    Â»Ich weiß, dass das blöd klingt.«
    Â»Das ist nicht blöd«, erwiderte er ungewohnt heftig. »Sie ist real. Sie sind alle real.«
    Wir sagten nichts mehr. Max stand auf und öffnete ein

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