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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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Richtung Lichtschalter. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich die steinernen Pfeiler erkennen, die in die Schatten an der Decke strebten, und das riesige Kreuz über dem Altar.
    Schließlich hatten wir es bis an die gegenüberliegende Wand geschafft. Ich legte den Schalter um, doch die Kirche blieb dunkel. »Das ist aber komisch.«
    Â»Glaubst du, der Strom ist ausgefallen?«
    Â»Nur hier?« Im Büro, am anderen Ende des Tunnels, sah ich Licht.
    Â»Vielleicht ist eine Sicherung durchgebrannt.«
    Â»Ja. Vielleicht.«
    In der Kirche war alles ruhig. Keine Spur von einem Hausmeister, einer streunenden Katze oder etwas anderem. Wir waren allein. Die Decke verschwand in der Dunkelheit und es sah fast so aus, als würden wir unter einem sternenlosen Himmel stehen. Schwaches Mondlicht drang durch die Buntglasfenster, doch es beleuchtete nur Schatten.
    Â»Das ist doch lächerlich«, flüsterte ich. Dann zwang ich mich, lauter zu sprechen. »Wir verhalten uns lächerlich.« Fast rechnete ich mit einem Echo. Doch meine Worte kamen nicht zu mir zurück. Und es sprang auch nichts aus der Dunkelheit heraus auf mich zu. Es war nur eine leere Kirche mit einer durchgebrannten Sicherung und – im schlimmsten Fall – einem Fledermausnest in der Apsis.
    Â»Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so viel Zeit in einer Kirche verbringen würde«, fügte ich noch hinzu, nur um etwas zu sagen.
    Â»Ich wollte früher mal Priester werden«, kam von Max.
    Â»Was?« Um ein Haar hätte ich sogar die Dunkelheit um mich herum vergessen.
    Â»Ich sagte, früher mal.« Sein Gesicht war nicht zu erkennen. »Sie schienen immer eine Antwort zu haben.«
    Â»Worauf?«
    Max zögerte. »Ich weiß nicht. Auf alles, glaube ich.«
    Â»Dann…bist du oft in die Kirche gegangen?« Nicht, dass daran etwas auszusetzen war, rief ich mir in Erinnerung. Ich wurde nur nicht oft damit konfrontiert. Meine Eltern waren teils jüdisch, teils methodistisch, ein bisschen Katholiken, teilweise Unitarier und durch und durch Atheisten, allerdings etwas weniger militant bei diesem Thema als ihre Freunde – als sie noch Freunde hatten –, die früher zum Essen gekommen und für ein paar Flaschen Wein und alkoholgeschwängerte Diskussionen über das allzu fromme Amerika geblieben waren.
    Â»Meine Eltern sind…« Er stockte. »Sagen wir mal, sie sind sehr gläubig. Und ja, wir haben viel Zeit in vielen Kirchen verbracht.«
    Â»Kirchen? Plural? Ich dachte, man bleibt bei einer Religion und wechselt nicht ständig.«
    Â»Nicht wechseln«, erklärte er. »Umziehen. Einmal im Jahr, manchmal auch zweimal. Jedes Jahr eine neue Stadt, neue Leute, eine neue Schule – aber die Religion ist eigentlich immer dieselbe geblieben.«
    Â»Manchmal braucht man eben eine Konstante.«
    Â»Ja.«
    Bei so was kannte ich mich aus. »Warum seid ihr so oft umgezogen?«
    Â»Meine Eltern sagten immer, es sei wegen ihrer Jobs gewesen, aber ich glaube, es gefiel ihnen einfach. Sie waren immer sicher, dass sie in der nächsten Stadt, im nächsten Leben das finden würden, wonach sie suchten.«
    Â»Und wonach haben sie gesucht?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wonach sucht jeder von uns? Aber egal, was es ist, so langsam glaube ich, dass es gar nicht existiert.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und überlegte zu lange.
    Â»Wir sollten die Türschlösser und den Vordereingang überprüfen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist«, sagte Max etwas steif. »Und dann sollten wir nach Hause gehen. Es ist schon spät.«
    Vielleicht wäre es besser gewesen, etwas Falsches als überhaupt nichts zu sagen, aber für so etwas konnte man sich nicht entschuldigen. Ich schlich dicht hinter Max durch die Dunkelheit und ertastete mir den Weg zu der großen Holztür am anderen Ende des Hauptschiffs, wobei ich mich krampfhaft bemühte, nicht mit ihm zusammenzustoßen. Einmal, ganz kurz, strich etwas ganz leicht über meinen Handrücken, doch falls es sein Finger war, war es eindeutig Zufall und es passierte auch kein zweites Mal.
    Â»Die Tür ist immer noch abgesperrt«, sagte er, während er an dem Knauf rüttelte. »Und der Riegel ist auch vorgeschoben. Vielleicht haben wir uns das alles nur eingebildet.«
    Â»Das glaube ich nicht.« Ich aktivierte mein Handy und richtete

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