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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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hatte etwas zu dem Mann gesagt, in »verrostetem Highschool-Französisch«, wie er behauptete, etwas Schnelles, Gereiztes, und innerhalb weniger Sekunden hatte der Alte seine Zeitung zusammengefaltet, seine unförmige Reisetasche gepackt und das Abteil verlassen. »Ich hab ihm nur gesagt, ich hätte Angst, dass wir ihn mit unserem jugendlichen Geplauder stören könnten«, erklärte Eli. »Er war dankbar für die Warnung.« Der Mann hatte nicht dankbar ausgesehen; eher gehorsam.
    Â»Adriane?«, flüsterte ich noch einmal, dieses Mal etwas lauter. »Bist du wach?«
    Ihr Ja war so leise, dass ich dachte, ich hätte es mir eingebildet.
    Â»Woran denkst du gerade?«, flüsterte sie.
    Ich konnte nicht antworten. Dieses Thema war tabu.
    Â»Ich auch«, flüsterte sie nach einem Moment.
    Ãœber einige Dinge konnte man im Dunkeln besser reden.
    Â»Wir werden ihn finden«, fügte sie hinzu. »Es geht ihm sicher gut.«
    Nicht Chris – Max. Ich bekam Gewissensbisse. Sie hatte recht. Max war derjenige, um den ich mir jetzt Sorgen machen sollte; Max war derjenige, den ich noch retten konnte.
    Â»Glaubst du wirklich, dass du ihn liebst?«, flüsterte Adriane. »Ich-tue-alles-für-ihn-auf-immer-und-ewig-wahre-Liebe?«
    Es lag bestimmt an der Dunkelheit. Oder am Jetlag. Über so etwas redeten wir sonst nicht. Nie.
    Â»Du weißt, dass ich ihn liebe.«
    Â»Ich dachte, du glaubst nicht an so was. Wahre Liebe. Weißt du noch?«
    Â»Das war vor ihm.«
    Â»M-hmm.«
    Vor Max hatte ich – im Brustton der Ignoranz – wahre Liebe als ein Konstrukt der Moderne bezeichnet, als Rationalisierung für den Fortbestand der Monogamie in einer modernen Gesellschaft, die auf einem Übermaß an Wahlmöglichkeiten beruhte, als eine von Sex und Hormonen gesteuerte Illusion, als Märchen, das von Märchen geschaffen worden war, von diesen zahllosen Grimm’schen Erzählungen, in denen die jungen Mädchen ihren Traumprinzen nach Kontostand und Immobilienbesitz aussuchten. Selbst als Disney sich der Sache annahm und Vögel, Fische und Teekessel dazu verdonnerte, über Belanglosigkeiten wie wahre Liebe zu trällern, war der Held immer ein reicher Prinz und das Happy End immer ein Ende mit Gold und Geld. Wahre Liebe taugt für Stegreifreden auf Hochzeiten und schlechte Filme, hatte ich Adriane vor zwei Jahren einmal gesagt, vor allem deshalb, weil mir ihre ständigen Lobeshymnen auf die vielen Vorzüge von Chris zum Hals heraushingen. Genauso schlimm waren ihre Klagen über »unzulängliche« Begriffe wie Feuerwerk und Chemie, um die Explosionen zwischen ihnen zu beschreiben, und die detaillierten Beschreibungen ihrer gemeinsamen Zukunft, ihres Brautkleids im Empirestil, seiner Überraschungs-Flitterwochen auf Bali, ihrer Zwei-Komma-fünf-Kinder und ihres Kompromisses zwischen seinen Vorstadt-Spießerfantasien und ihrem Strandhaus in Malibu, das »natürlich ein Zimmerchen für die alte Jungfer haben wird, Nora. Warn Witz.« Meine Nieder-mit-der-Liebe-Kampagne hatte ich erst aufgegeben, als ich Max kennenlernte. Adriane hatte aufgehört, über die Zukunft zu reden.
    Â»Und was ist mit dir?«, fragte ich.
    Schweigen. Eli murmelte etwas im Schlaf. Er schien sich vor etwas zu fürchten.
    Â»Glaubst du immer noch, dass ihr zusammengeblieben wärt?«
    Â»Darüber denke ich nicht nach«, erwiderte sie.
    Â»Okay.«
    Nach einer Weile: »Woher soll ich das wissen?«
    Â»Ich hätte nicht fragen sollen.«
    Aber sie redete weiter. »Es ist nicht normal, dass man so etwas weiß. Schließlich wären wir ja nicht direkt von der Abschlussfeier der Highschool in die Kirche marschiert. Selbst wenn es das gewesen wäre, was er gewollt hätte.«
    Â»Das ist nicht das, was er gewollt hätte.«
    Sie setzte sich auf. »Und woher willst du das wissen«?
    Â»Ich kenne Chris.« Kannte Chris.
    Â»Während ich ja nur seine Freundin war.«
    Â»So hab ich das nicht gemeint.«
    Â»Doch, hast du«, erwiderte sie leise. »Immer schon.«
    Der Ton in ihrer Stimme verriet mir, dass sie bereits öfter darüber gegrübelt hatte. »Adriane, ich wollte doch nie…«
    Â»Du weißt nicht alles, Nora. Nicht einmal über ihn.«
    Â»Dann erzähl’s mir. Erzähl mir irgendwas. Aber rede mit mir.«
    Adriane legte sich wieder hin und zog die Knie an die Brust

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