Das Buch aus Blut und Schatten
Zeitungsartikel.
MÃDCHEN AUSSER RAND UND BAND
WAS IST NUR MIT DER JUGEND VON HEUTE LOS?
KILLERMÃDCHEN AUF DER FLUCHT
Ich klickte die langweiligste Schlagzeile an.
MORDVERDÃCHTIGE FLIEHEN INS AUSLAND
Chapman, Massachusetts. â Zwei Teenager, die wegen Mordes an einem engen Freund gesucht werden, sind während einer Klassenreise nach Paris verschwunden. Nora Kane und Adriane Ames, Schülerinnen der Abschlussklasse der Chapman Preparatory School, die der Polizei zufolge mit Max Lewis zusammen den 18-jährigen Christopher Moore ermordeten, wurden zuletzt auf einer Klassenreise in Paris gesehen. Es wird angenommen, dass sie nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft in Frankreich ihren Aufsichtspersonen entkommen und über die Grenze nach Deutschland geflüchtet sind.
Die örtliche Polizei hatte ursprünglich angenommen, dass Lewis (möglicherweise ein falscher Name) den brutalen Mord im vergangenen Monat allein begangen hat, doch informierten Quellen zufolge sind inzwischen Beweise aufgetaucht, die Kane und Ames mit dem Verbrechen in Verbindung bringen. Lewis wurde seit der Mordnacht nicht mehr gesehen und man geht inzwischen davon aus, dass die drei Jugendlichen zusammen unterwegs sind. Die Verdächtigen werden mit Haftbefehl gesucht und die örtlichen Behörden arbeiten eng mit Interpol zusammen, um die drei aufzuspüren.
Die Eltern der beiden Mädchen sagten lediglich, dass sie sich um das Wohl ihrer Töchter sorgten und für sie beteten. Was die Beteiligung ihrer Töchter an dem Mord an Moore angeht, wollten sie keinen Kommentar abgeben.
Ich las den Artikel immer wieder, bis die Sätze ihren Zusammenhang verloren und sich zu einem Durcheinander aus Buchstaben auflösten, wie ein Wort, das man ständig wiederholt, bis es nur noch aus unverständlichen Silben besteht.
Werden mit Haftbefehl gesucht. Arbeiten eng mit Interpol zusammen. Brutaler Mord.
Worte, die nicht bedeuten konnten, was sie bedeuteten, Worte, die sich nicht auf mein Leben beziehen konnten.
Aber eines stimmte: Es war tatsächlich ein Beweis dafür aufgetaucht, dass ich etwas mit dem Verbrechen zu tun hatte. Ich hatte ihn in der Tasche. Max konnte noch so sehr versuchen, mich zu beruhigen â ich wusste, was los war.
»Ich muss mit meinen Eltern reden«, sagte ich.
Max packte mich am Handgelenk und zog langsam meine Hand von der Tastatur. Ich wehrte mich nicht; ich war wie erstarrt. »Es tut mir leid«, murmelte er. »Das waren sie . Die Hleda Ä i . Sie haben dich reingelegt, genau wie mich. Sie benutzen uns.«
»âºKein Kommentarâ¹?« Adriane griff nach der Maus und fing an, die anderen Artikel zu überfliegen. »Sie haben sich nicht mal die Mühe gemacht, mich zu verteidigen? Vermutlich regen sie sich darüber auf, dass ich ihnen den Urlaub versaut hab. Ich wette, den âºkein Kommentarâ¹ haben sie am Pool liegend abgegeben.«
»Jetzt ist euch doch wohl klar, warum wir nicht zurückkönnen«, sagte Max. »Sie würden uns verhaften, sobald wir das Flugzeug verlassen.«
»Ich muss mit meinen Eltern reden«, wiederholte ich.
»Wir können alles wieder in Ordnung bringen«, sagte Max zu mir. »Jetzt, wo wir die Karte haben. Wir haben etwas, das sie wollen. Wir können es benutzen.«
Eli drückte mir sein Handy in die Hand. »Es funktioniert in Europa. Aber sie werden vermutlich versuchen, den Anruf zurückzuverfolgen. Du solltest besser schnell reden.«
Ich hielt Adriane das Handy hin, die aber den Kopf schüttelte. »Ich hab auch keinen Kommentar.« Wenn man sie nicht kannte, wenn man nicht miterlebt hatte, wie unterwürfig sie ihren Eltern gegenüber war â die Einzigen, die sie dazu zwingen konnten, zu allem Ja und Amen zu sagen â, wenn einem ihre Finger nicht auffielen, die sich zu Fäusten ballten, öffneten, wieder zu Fäusten ballten, hätte man fast meinen können, es wäre ihr egal.
Ich ging durch die Lobby, drückte mich in eine Ecke, bis ich mit dem Gesicht fast an die Wand stieÃ, und wählte unsere Telefonnummer.
»Es tut mir leid«, sagte ich, als meine Mutter ans Telefon ging.
»Nora? Wo bist du? Was ist passiert?«
»Ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen um mich macht.«
Sie rief nach meinem Vater, dann fragte sie mich immer wieder, wo ich sei, ob ich in Sicherheit sei, was los sei, zu viele Fragen auf einmal, um sie zu beantworten.
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