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Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Titel: Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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zurück, und Janine erschrak von meiner Reaktion. Sofort tat es mir leid, aber ich war inzwischen wirklich ganz schön sauer.
    »Hör mal, was soll das? Ich brauche dir nicht leidzutun, ich gehe sowieso nicht durch den See! Sanne … was ist mit dir? Siehst du etwa auch nichts?«
    Ich merkte, dass Sanne ihren Bruder nicht verletzen, aber doch bei der Wahrheit bleiben wollte. Ihre Antwort war ganz und gar nicht in meinem Sinne.
    »Joe … es tut mir leid, aber da ist nur Wald. Dichter, undurchdringlicher Wald überall.«
    Sprachlos starrte ich über den See auf den Urwald, die mitleidigen Blicke meiner Kameraden neben mir sehr wohl spürend. Ich war langsam am Verzweifeln. Konnte es sein, dass sie recht hatten?
    »Nehmen wir einmal an, nur Joe kann den Weg sehen. Was dann?«, fragte Sanne leise.
    Drei Augenpaare richteten sich auf meine Schwester.
    »Wie meinst du das?«, fragte Tommy, und in seinem Kopf arbeitete es. Ich fühlte mich völlig hilflos.
    »Ach nichts. Ich dachte nur gerade, dass Joe als einziger nicht durch das Wasser möchte, aber als einziger einen Weg sehen kann … «
    Sie stockte, denn Tommy verschränkte bei ihren Worten die Arme vor der Brust.
    »Du meinst … «, murmelte er dann, »… er müsste zuerst durchs Wasser?«
    Ich bekam weiche Knie. Niemals! Ich schaute wieder hinüber zur anderen Seite und hoffte auf ein Wunder.
    Aber der Weg war noch da.
    »Tja, Josef … «, meinte Tommy. »Dieser Einfall von Sanne ist nicht von der Hand zu weisen.«
    Fieberhaft überlegte ich, welche Argumente ich anbringen konnte, um die anderen von dieser Idee abzubringen. Wir könnten zurückgehen. Wir könnten versuchen, einen Weg über die Berge zu finden. Wir könnten …
    »Zurück können wir nicht«, sagte Janine. »Wir würden nicht einmal annähernd die Richtung finden.«
    »Und die Berge verstellen uns die anderen beiden Seiten. Außerdem sind ihre Wände so glatt, dass wir niemals Halt finden würden«, ergänzte Tommy.
    Na toll. Einen Weg konnten sie nicht sehen, aber alles besser wissen, das konnten sie!
    »Ich habe Angst, da durch zu müssen«, murmelte ich.
    »Hast du auch Angst davor, nur mit den Füßen durchs Wasser zu gehen? So wie vorhin?«, fragte Tommy.
    Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Natürlich würde ich mit den Füßen reingehen.
    »Pass auf«, sagte Tommy, »ich mach dir einen Vorschlag. Wir gehen wieder mit den Füßen ins Wasser und warten ab, waspassiert. Wir bleiben dicht zusammen. Wenn du Panik kriegst, rennen wir mit dir zurück ans Ufer.«
    »Wenn wir nur mit den Füßen im Wasser sind, dann kann ich ja wohl noch alleine raushüpfen«, antwortete ich und zwang mich zu einem Lächeln. Im gleichen Augenblick merkte ich, dass ich mich selbst reingelegt hatte. Schon hatte ich zugestimmt, wieder in den See zu gehen! Verdammt.
    »Gut, egal. Trotzdem kann ich ja dicht bei dir bleiben.«
    Ich dachte, ich geh ein kleines Stück rein und wieder raus, und das war’s dann. Es ist nichts dabei. Es ist nichts dabei. Ich traf die Entscheidung.
    »Gut. Ich mach’s!«
    Ich tat drei energische Schritte und stand mit beiden Füßen bis zu den Knöcheln im Wasser.
    »Halt!«, rief Tommy lachend. »Wir müssen erst noch unsere Sachen packen!«
    Sofort begann er, unsere Jeans schön sorgfältig zu falten und im Rucksack zu verstauen. Die Schuhe passten beim besten Willen nicht mehr rein, also verknotete Tommy die Schnürsenkel, hängte sich sein Paar um den Hals und reichte uns unsere Schuhe.
    »So kriegen wir sie vielleicht rüber, ohne dass sie nass werden. Vielleicht ist es ja gar nicht so tief.«
    Als Letztes nahm Tommy die Machete auf. Dann sah er mir tief in die Augen.
    »Und? Bist du so weit?«
    Was blieb mir jetzt noch anderes übrig? Ich fühlte mich so allein wie noch nie zuvor in meinem Leben. Doch meine Freunde blickten mich voller Erwartung an, und Janine hielt mir ihre gedrückten Daumen hin. Ein letztes Mal sah ich hinüber ans andere Ufer. Der Weg war noch da. Und vielleicht führte er uns ja hier hinaus. Wir mussten ihn nur erreichen.
    Ich hatte einen trockenen Mund, aber ich nickte. Dann kamen die anderen zu mir ins Wasser, und wir fassten uns alle an den Händen. Ich hielt die Luft an und schloss die Augen. Ich dachte, mit geschlossenen Augen muss ich das Wasser wenigstens nicht sehen. Ich hörte, wie das Blut in meinen Adern an den Schläfen pulsierte, nahm Tommys Atemzüge neben mir wahr und das Hecheln von Jever und Lazy. Krampfhaft versuchte ich, mich auf meine

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