Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
Füße zu konzentrieren. Weitere Sekunden vergingen, und ich spürte, wie sich meine Zehen fast wie von selbst in den weichen Sand krallten. Dann gingen wir langsam los und setzten wie in Zeitlupe langsam einen Fuß vor den anderen.
Ich schlurfte über den Sandboden, um ja nicht den Halt zu verlieren. Schritt für Schritt stieg das Wasser am Körper höher. Ich musste immerzu an den Augenblick denken, bevor mich damals die Jungs unter Wasser gedrückt hatten. Sanne und ich hatten so viel Spaß gehabt in dem Becken. Nur daran wollte ich denken: Wasser ist gut. Wasser ist gut. Wasser ist gut …
Und dann tat ich etwas, das ich bis heute nicht verstehe. Ich öffnete die Augen, fixierte den drüben aus dem dichten Wald tretenden Pfad und ging Schritt für Schritt, Tommy an der einen, Janine an der anderen Hand, auf das gegenüberliegende Ufer zu. Das Wasser stieg an meinem Körper weiter, aber ich bemerkte es nicht.
Ab und zu sah ich nach unten, doch der Seeboden blieb immer gleich. Kleine Dünen aus Sand formten sich unter meinen Füßen, und ich erinnerte mich an schönste Strandmomente. Ich erinnerte mich an die warme Sonne und weichen Sand, an Burgen und Schlammschlachten.
Das Wasser ging mir fast bis zur Brust. Doch dann, ein paar Schritte weiter, ging es plötzlich nur noch bis zum Bauchnabel. Als ich das bemerkte, war es, als hätte mich jemand aus einem Traum erweckt. Ich starrte auf meinen Bauchnabel, den das Wasser umspielte, und konnte es nicht glauben. Es wurde wieder flacher! Ich hob den Kopf und tatsächlich: der Urwald war zum Greifen nah! Der andere Sandstrand lag fast direkt vor uns, und jetzt konnte ich den Weg, der in diese grüne Welt führte, genau vor mir sehen.
Ich fühlte eine Kraft in mir aufsteigen, wie ich sie noch niemals zuvor gespürt hatte. Ich hatte meine Angst besiegt!
Mit einem Jubelschrei riss ich mich von meinen Freunden los, stürmte zum Ufer hin, rannte den sanft ansteigenden Seeboden hinauf und spritzte dabei übermütig mit dem Wasser. Ich war stark! Ich hatte es geschafft!
Am Sandstrand sprang ich in die Luft, machte eine halbe Drehung und winkte meinen Freunden wie verrückt zu, die lachend noch dabei waren, die letzten Meter aus diesem jetzt wunderschön glitzernden See zu rennen.
BRACHYPELMA ALBOPILOSUM
W ir sahen uns neugierig um. Die bereits von der anderen Seite des Sees riesig wirkenden Bäume waren von Nahem einfach gigantisch groß. Die Entfernung vom Ufer bis hin zum Waldrand betrug vielleicht dreißig bis vierzig Meter. Wie mit dem Lineal gezogen begann dort die undurchdringlich scheinende grüne Wand. Das grüne Dach der Baumkronen mochte etwa dreißig Meter in die Höhe ragen, aber auch im unteren Bereich war es kaum möglich, einzelne Stämme zu erkennen, weil alles ineinander verwachsen schien. Unzählige verschiedene Pflanzenarten wuchsen im Schutz der Riesen. Das Dickicht schien völlig unbezwingbar, selbst mit unserer Machete. Doch genau vor uns war das, was es dort eigentlich nicht hätte geben dürfen.
»Der Weg!«, murmelte Tommy ungläubig.
»Da ist er!«, rief Janine, und Sanne stand der Mund offen.
Ich räusperte mich genüsslich und setzte an, um etwas zu sagen, da winkte Tommy schon gutmütig ab.
»Ja, ja, Josef, du kannst mich ab sofort Tomas nennen. Übrigens … «, er legte mir eine Hand auf die Schulter, »… das war eine ganz große Leistung, Joe. Ich bin verdammt stolz auf dich.«
Die beiden Mädchen lächelten mich belustigt an und ich wurde wohl ein wenig rot. Aber es war mir wahrlich nicht peinlich.
»Freut mich«, sagte ich verlegen und boxte Tommy freundschaftlich gegen den Bauch, was ordentlich klatschte, denn unsere Klamotten waren durch und durch nass. Wir würden erst ein wenig trocknen müssen, bevor wir unsere Erkundung fortsetzten. Janine nahm ihre Schuhe vom Hals und warf sie in den Sand.
»Könntest du mal die Handtücher rausrücken?«, fragte sie Tommy, während sie ihr T-Shirt am Bauch auswrang.
»Klar, und die anderen Sachen könnt ihr auch gleich wieder nehmen. Dann habe ich endlich mal einen leichten Rucksack.«
Es war immer noch wunderbar warm. Die Luft war feucht, aber nicht schwül. Wenn man tief einatmete, drangen viele unterschiedliche Düfte in die Nase, doch keiner war unangenehm. Es roch nach einem Gemisch aus Blüten, nach Wald und auch etwas modrig, und ganz entfernt erinnerte mich der Geruch auch ein wenig an Harz. Ich betrachtete den Wald und fragte mich, ob es hier auch Tiere gab.
Tommy leerte
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