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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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zu liegen und sich zu sehnen war schrecklich, es war jedoch immerhin Leben! – aber operiert, da war es nur schwarz!
    Da hatte Kim geweint und hatte sich in der Achselhöhle verkrochen, so nettig, wie Kim sein konnte, und hatte geschluchzt und gesagt, dass es vielleicht genauso gut wäre, operiert zu werden. Doch da hatte der Junge gesagt, das bedeutete, das Menschliche zu beschneiden, der Kreatur gleichsam zu nehmen, Mensch zu sein, oder Katze, und man müsste daran glauben, dass das Leiden, nicht vögeln zu dürfen, obwohl man konnte, zu diesem Leben dazugehörte .
    Ein Leben ohne Leiden war kein Leben.
    Es wäre völlig platt, wie eine Fotografie, und auch wenn es manchmal hoffnungslos war und das Leben gleichsam außer Kontrolle geraten war und man feststeckte im Dreck und nachts dalag und schwitzte und um vier Uhr morgens aufwachte und eine Menge Fragen hatte, auf die sich keine Antworten fanden, war es schön, dass er da war, also Kim, und zuhörte, und sagte, dass man taugte, und dass es nicht zu spät war und man nicht aufgeben sollte.
    Und dann waren sie verdammt noch mal eines Morgens gekommen und hatten Kim geholt und operiert, und als der Junge darüber sprach, hatte er angefangen zu fluchen und Schimpfworte auszustoßen. Wie in Verzweiflung. Aus der Sache mit dem Operieren entstand verdammich keine Lebensbejahung, nur Scham, und mehrere Wochen hatte Kim sich nicht zeigen wollen, sondern war nur unter das Laken gekrochen.
    Es nicht zu tun ist Tierquälerei, hatte Lisbeth gesagt.
    Diese Frauen! Unglaublich! Begriffen nicht, was die Liebe war! Diese Scharfrichterinnen!
    Gab es denn nur eine Frau, die alles verstanden hatte?
    Die auf dem astfreien Kiefernholzboden, deren Name Maria war? Die die Erlöserfüße mit Öl gesalbt hatte! Gab es nur eine, die Zutritt hatte zum innersten Raum, in dem er, sie und die Herrnhuter sich vereinigen konnten?
    *
    Man kann vom Fenster des Jungen über das Tal blicken.
    Auf der anderen Seite der Mauer kann man sehen, wie sich die Bäume sammeln, wie Kühe am Abend. Die Bäume sind schweigsam, sie muhen nicht, wohin sind die Bäume unterwegs. Der Junge stand am Fenster und dachte darüber nach, dass es etwas glich. Es waren Wörter, die sich sammelten, und nur die Katze verstand. Er nahm die Katze auf die Schulter und beschrieb ihr, was er als Kind gesehen hatte.
    Da antwortete die Katze flüsternd. Es war das Glaubensbekenntnis .
    Du sollst nicht in Verzweiflung verfallen.
    Jede kleine Handlung, die du in deinem Elend
    hervorklammerst,
    Wird wie Scheite auf den Ameisenhaufen gelegt
    Und in der Umklammerung des Großen Rades
    verschont.
    Aber gibst du auf und liegst dort im Eisloch
    Und krallst unter Gebetsrufen
    Und reißt dir an der Eiskante die Nägel ab
    Und beginnst zu bedenken wie beruhigend es wäre,
    Dich auf den Grund sinken zu lassen,
    Dann bist du ein Betrüger am Leben.
    Aber du sollst bleiben und dich mit zerrissenen Nägeln
    In Schmerzen festklammern!
    Lisbeth pflegte zu sagen, dass Katzen nicht sprechen könnten.
    Siklund hatte erwidert, dass der Mund sich bewegte, und sobald der Mund mit seinen Bewegungen der Lippen fertig wäre, brächen Töne zwischen ihnen hervor, so wäre es, er hätte ein Foto seines Großvaters sprechen sehen, warum sollte Kim nicht sprechen können.
    »Wer ist denn Kim, der so über die Gabe des Redens verfügt«, war er gefragt worden.
    »Er ist tot, seine Lippen bewegen sich, er gleicht einem Fuchs, vielleicht ist er ein Kreuzfuchs, dann hat er eine Botschaft, er gibt ein Zeichen, dass ich tauge, obwohl mir vom Erlöser oder einem anderen Vorgesetzten gesagt worden ist, dass ich mein Pfund vergeude. Da habe ich dem Erlöser erwidert, dass auch ein solcher einen Wert besitzt, es ist auch eine Aufgabe, Nichts zu haben und Kontrollgruppe zu sein.
    Wie Eriksson.
    Quatsch nicht, hatte Lisbeth gesagt. Erzähle jetzt deinem Freund von dem Vorfall mit Eriksson, dem, der Nichts hatte. Du warst doch nicht Kontrollgruppe. Das war dein Pfund. Und was hast du gemacht. Wie hast du dein Pfund verwaltet.
    Als er Kind war, hatte er die Welt von seinem Küchenfußboden aus betrachtet, der mit Linoleum bedeckt war, und hatte da die wirkliche Welt schräg nach oben durchs Küchenfenster gesehen.
    Dort hatte er, aus seiner niedrigen Position, die Eberesche beobachtet, die ein Glücksbaum war, was die Mutter ihm nach der Heimholung des Vaters viele Male unter Tränen erzählt hatte, und das vom Vater erbaute Haus bewachte. Es gegen Unglücksfälle

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