Das Buch Der Hundert Vergnügungen
kehren. Wirklich? Hätte ich nie gedacht. Ich fand immer, sie machten so einen glücklichen Eindruck. Hat er? Ach, die Arme. Na, ich will ja nicht Partei ergreifen, aber ich fand immer, dass er zu viel hinter den Frauen her war. Keine Ahnung, wie sie das ausgehalten hat. Hier bei uns ist es ja wie im Fernsehen, sagen wir, bis uns klar wird, dass wir gar kein Fernsehen brauchen, aus dem einfachen Grund, weil wir ja »hier bei uns« haben.
TH
AN DER WAND LEHNEN
Wände und Mauern gibt es, anders als Parkbänke, überall, aber genau wie Parkbänke bieten sie Ihnen die Möglichkeit auszuruhen. Gönnen Sie sich einen Moment, um dem Treiben der Welt von Ihrem zeitweiligen Standpunkt aus zuzusehen. Wenn Sie nur so dalehnen, kommen Sie sich vielleicht bald etwas albern vor, aber mit einem Requisit können Sie eine ganze Weile so dalehnen. Ein abgegriffenes, zerknicktes Taschenbuch ist ausgezeichnet geeignet dafür, eine Zeitung hingegen sollten Sie auf gar keinen Fall verwenden. Einmal abgesehen von all dem trivialen Unsinn, mit dem sie gefüllt sind, haben Zeitungen die lästige Angewohnheit, selbst im leisesten Lüftchen zu flattern und damit unlesbar zu werden. Gönnen Sie sich also eine Verschnaufpause und lesen Sie noch ein Kapitel, ehe Sie weiterschlendern auf Ihrem Weg in den Park.
DK
SICH HERAUSPUTZEN
Hier ein wenig schnippeln, dort ein wenig glätten, ein bisschen Parfüm, ein bisschen zerzausen, ein paarmal in den Spiegel schauen. Bürsten Sie Ihr eigenes Haar oder bürsten Sie jemand anderem das Haar. Flechten Sie Zöpfe, legen Sie Scheitel, binden Sie Pferdeschwänze. Sich herauszuputzen ist die Kunst, seine Kreativität am eigenen Körper auszuleben. Selbst wenn Sie nur in der Nase bohren oder Ihre Ohren waschen. Ein paar kleine Korrekturen vor dem Spiegel, ein bisschen nachpudern, ein, zwei Spritzer zum Frischmachen. Immer ein Vergnügen.
TH
PHILOSOPHIEREN
Manchmal muss man reden, um herauszufinden, was man denkt.
DK
AUF EINEM GRASHALM KAUEN
Beim Nachdenken auf einem Grashalm herumzukauen lässt sich durch nichts ersetzen, was die Welt der käuflichen Genüsse uns zu bieten hat. Pflücken Sie sich einen Stängel von der Wiese oder von der Brache neben den Bahngleisen, kauen und meditieren Sie. Es bereitet instinktiv Vergnügen und verwandelt Sie auf einfachste Art in einen Faulenzer vom Schlage eines Huckleberry Finn, eines Walt Whitman oder eines Thoreau, wenn Sie so ganz und gar sorgenfrei Nährstoffe aus der Pflanze saugen und nur den Augenblick genießen. Lassen Sie beim Grashalmkauen Ihren Blick in die Ferne schweifen, nicken Sie weise mit dem Kopf und lächeln Sie mit der ganzen Lebensklugheit eines taoistischen Mönchs, und wer weiß, vielleicht befinden Sie sich bereits auf dem Weg der Erleuchtung.
TH
IN GUTER GESELLSCHAFT
Es ist Abend geworden nach einem warmen Sommertag. Der Wein zirkuliert durch Sie und Ihre Freunde, aber nicht, um Ihnen die Zungen für eine politische Diskussion zu lösen, die womöglich in einem Riesenstreit endet, sondern um sich in schallendem Gelächter und Geschnatter über alte Erinnerungen zu ergießen. Längst vergessene Geschichten aus vergangenen Zeiten werden heraufgespült und große Pläne geschmiedet für eine Zukunft, die erst noch gelebt sein will. Gemeinsam bei Brot und Wein am Grill Anekdoten auszutauschen – die schlichte Freundlichkeit, für die Menschen zu sorgen, die Sie lieben.
DK
KARTENHÄUSER BAUEN
Ein Kartenhaus, an sich völlig nutzlos, ist eine zerbrechliche, schwierige und höchst befriedigende Sache. Es ist so, als würden Sie versuchen, am Küchentisch Ihre eigene Kathedrale im Kleinformat zu bauen. Ein Atemhauch oder die leiseste Berührung mit dem Hemdsärmel kann das Ganze zum Einsturz bringen, was uns an die Hinfälligkeit aller irdischen Werke des Menschen und an die Eitelkeit des menschlichen Wollens erinnert.
TH
RADFAHREN
Das Fahrrad ist vermutlich das großartigste und vergnüglichste Verkehrsmittel, das je erfunden wurde. Radfahren ist wie zu Fuß gehen, nur mit einem Zehntel der Anstrengung. Radeln Sie durch eine Stadt, und Sie werden ihre Geografie so gut kennenlernen wie kein motorisierter Verkehrsteilnehmer, der überall von Einbahnstraßenschildern und Staus eingeschränkt wird, es je könnte. In Minutenschnelle können Sie von einem Ende zum anderen sausen. Sie überholen 250 000 Euro teure Sportwagen, die alles andere als rasant vorankommen. Und Sie können so gut wie überall parken. Radfahren vermittelt so
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