Das Buch Der Hundert Vergnügungen
ungefähr das größte Gefühl der Freiheit, das man in einer städtischen Umgebung empfinden kann. Es ist eigentlich unglaublich, dass man sich in einer modernen Großstadt so frei fühlen kann – eines Tages werden sie bestimmt einen Weg finden, durch Steuern und bürokratische Vorschriften dem Radfahren den ganzen Spaß zu nehmen. Zum Glück ist es noch nicht so weit. Genießen Sie es also, solange Sie können – so etwas Tolles gibt es erfahrungsgemäß nicht ewig.
DF
TANZEN
Leider schwingen die meisten von uns das Tanzbein nur auf Hochzeiten nach Einnahme großer Mengen Alkohols, genügend jedenfalls, um alle Hemmungen abzuwerfen und den eigenen Körper halbwegs im Takt der Musik zu bewegen. Das ist eine Schande, keine Frage. Vor gar nicht so langer Zeit noch tanzten wir jeden Abend nach dem Essen. Tanzlehrer gingen in vielen Häusern ein und aus. Tanzen ist Wirklichkeitsflucht und Vergnügen pur: Als wirbelnde Derwische vergessen wir unsere Sorgen und unseren Streit. Tanzen kann außerdem Vorspiel zum Sex sein und uns daran erinnern, dass das Leben dazu da ist, gelebt und genossen zu werden. Fröhlichkeit, Festlichkeit und Rituale sind nahezu verschwunden aus unserem Leben. Bringen wir sie wieder hinein.
TH
SCHALLPLATTEN SORTIEREN
(Diese besondere Vergnügung lässt sich nicht auf andere Medien übertragen, mit Ausnahme von Büchern. Wer versucht, CDs oder MP3- Audiodateien zu sortieren, wird bitter enttäuscht werden.)
Manche bevorzugen die naheliegende Methode, nach Alphabet, Musikrichtung oder Erscheinungsmonat und -jahr zu sortieren, aber es gibt natürlich auch erheblich radikalere Ordnungskriterien. Ich kannte mal einen Mann, der seine Platten nach dem Pantone-Farbfächer sortierte und seinen Gästen auf diese Weise an der einen Wand seines Wohnzimmers einen regelrechten musikalischen Regenbogen präsentierte. Das Reizvolle an einer ausgefallenen Sortierweise ist, dass Dinge, die sonst übersehen würden, die Chance erhalten, sich abzuheben vom Rest. Außerdem kann es zu neuen, ganz unerwarteten Begegnungen kommen. Wann sonst hätte man Anlass, über die Gemeinsamkeiten eines Gitarrenstücks von Prince und der neuesten Scheibe von Metallica nachzudenken? Wer weiß, was das für Ihr nächstes Mixtape bedeutet? Bücher können ebenfalls von einer gewollt unorthodoxen Anordnung in Ihrem Regal profitieren. Wie soll Agatha Christie je zur Geltung kommen, wenn sie immer neben Raymond Chandler stehen muss? Oder denken Sie an den armen Charles Darwin, der stets die Nachbarschaft seines Speichelleckers Richard Dawkins ertragen muss. Es sei denn natürlich, in Ihren Regalen herrscht ohnehin ein einziges Durcheinander – in welchem Fall es sich vielleicht anbietet, mal zu sortieren oder umzusortieren, ganz nach Lust und Laune.
DK
IM WASCHSALON
Der riesige Seesack, eigentlich zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Besatzungsmitglieder einer Jacht auf Weltreise, ist irgendwie zu klein für Ihre ganzen Hemden und Hosen. Mit einem Kraftakt wuchten Sie ihn sich auf die Schulter und torkeln damit die Straße entlang zum Waschsalon. Sie öffnen die Tür, und Wärme schlägt Ihnen entgegen. Die Dame mit dem freundlichen Lächeln, das ihre schlechten Zähne verbirgt, schlurft hin und her auf der Suche nach einer freien Maschine. Schließlich findet sie eine und gestikuliert in Ihre Richtung. Diese eine Maschine genügt, um Ihre ganzen Klamotten auf einmal in sich aufzunehmen. Waschpulver in die Schublade und Münzen in den Schlitz – und schon sehen Sie Ihren Unterhosen dabei zu, wie sie in der weißen Schaumbrühe langsam herumgewälzt werden.
Das Buch, das Sie gerade lesen, ist eigentlich spannender als die Sportseiten in der Tageszeitung; trotzdem blättern Sie kopfschüttelnd darin, ehe Sie sich in Ihr Buch vertiefen. Ach, wie herrlich ist sie, die erzwungene Untätigkeit.
Eine Stunde später ist alles erledigt. Sie sind ein bisschen enttäuscht, dass Sie Ihr behagliches Refugium so schnell schon wieder für eine Woche aufgeben müssen. Doch der Sack fühlt sich leichter an, und auf dem Heimweg schmiegen sich die warmen Kleider behaglich an Ihre Schulter.
DK
SICH NASS REGNEN LASSEN
Wir machen uns eine Menge überflüssiger Umstände und Sorgen mit all dem Gewese, das wir anstellen, um während eines Wolkenbruchs trocken zu bleiben. Wie befreiend ist es dagegen, die ganze Idee des Trockenseins fahren zu lassen und sich den Sturzfluten einfach auszuliefern. Laufen Sie nicht, schlendern Sie. Blicken Sie
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