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Das Buch der Illusionen

Das Buch der Illusionen

Titel: Das Buch der Illusionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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der allein in einem dreigeschossigen Tudor-Haus in Highland Park lebte. Dort war Sylvia schon einmal mit Al gewesen, und als sie und Hector am festgesetzten Abend in ein Taxi stiegen und zu ihrem Ziel in der Vorstadt fuhren, wies sie ihn darauf hin, dass sie wahrscheinlich zweimal, vielleicht sogar dreimal hintereinander ranmüssten. Der Spinner sei verrückt nach ihr, sagte sie. Er rufe schon seit Wochen an und frage immer wieder, wann sie endlich wieder zu ihm käme, und so habe sie den Preis allmählich auf zweihundertfünfzig Dollar pro Nummer hochgeschraubt, doppelt so viel wie beim letzten Mal. Wenn's um Knete geht, bin ich auf Draht, erklärte sie stolz. Der Trottel könnte eine Goldgrube für uns werden, wenn wir's ihm richtig besorgen.
    Pierson erwies sich als schüchterner, nervöser alter Mann - er war dünn wie ein Zwirnsfaden, hatte dichtes, ordentlich gekämmtes weißes Haar und riesengroße blaue Augen. Er trug eigens zu diesem Anlass eine Smokingjacke aus grünem Samt, und als er Hector und Sylvia ins Wohnzimmer führte, räusperte er sich ständig und strich sich die Jacke glatt, als ob er sich in diesem geckenhaften Aufzug nicht wohlfühlte. Er bot ihnen Zigaretten an, er bot ihnen Getränke an (beides lehnten sie ab) und erklärte schließlich, er gedenke, zu ihrer Vorstellung eine Grammofonaufnahme des Streichsextetts Nummer l in h-Moll von Brahms abzuspielen. Sylvia kicherte, als sie das Wort Sextett hörte; sie schien nicht zu wissen, dass es sich auf die Zahl der Instrumente dieses Stücks bezog, aber der Richter schwieg dazu. Dann machte er Hector ein Kompliment zu seiner Maske - die er sich, bevor er ins Haus trat, vors Gesicht gesetzt hatte - und sagte, er finde das faszinierend, eine raffinierte Idee. Ich glaube, das wird mir gefallen, sagte er. Ich beglückwünsche Sie zur Wahl Ihres Partners, Sylvia. Der hier ist unendlich viel schneidiger als Al.
    Der Richter hatte es gern einfach. Er wollte keine aufreizenden Kostüme, schwülen Dialoge oder künstlich aufgepeppte Darstellungen. Nein, er wolle nur ihre Körper betrachten, sagte er, und nach dem einleitenden Gespräch schickte er sie in die Küche, wo sie sich entkleiden sollten. Als sie gegangen waren, legte er Musik auf, machte das Licht aus und zündete an einem halben Dutzend Stellen im Raum Kerzen an. Es war Theater ohne Theatralik, eine ungeschminkte Inszenierung des Lebens selbst. Hector und Sylvia sollten nackt das Zimmer betreten und dann auf dem Perser zur Sache kommen. Und das war auch schon alles. Hector solle es mit Sylvia treiben, und wenn er zum Höhepunkt käme, solle er sich von ihr lösen und auf ihre Brüste ejakulieren. Das sei der wesentliche Punkt, sagte der Richter. Entscheidend sei das Spritzen, und je weiter die Tropfen flögen, desto glücklicher werde es ihn machen.
    Nachdem sie sich in der Küche ausgezogen hatten, trat Sylvia an Hector heran und begann ihn zu streicheln. Sie küsste ihn auf den Hals, schob die Maske beiseite und küsste ihn aufs Gesicht, und dann wölbte sie ihre Hand um seinen schlaffen Penis und rieb ihn, bis er steif wurde. Hector war froh, dass er auf die Idee mit der Maske gekommen war. Damit fühlte er sich weniger verwundbar und empfand weniger Scham, sich vor dem alten Mann zu zeigen, aber nervös war er trotzdem, und daher nahm er es dankbar an, dass Sylvia ihn mit freundlicher Hand unterstützte und ihm half, sein Lampenfieber zu vertreiben. Sie mochte der Star sein, aber sie wusste auch, dass die Beweislast er zu tragen hatte. Im Gegensatz zu ihr konnte Hector nichts vortäuschen; er konnte nicht einfach Erregung mimen und so tun, als mache ihm das Spaß. Er musste am Ende der Vorstellung etwas abliefern, und das konnte er nur, wenn er mit dem Herzen dabei war.
    Sie traten Hand in Hand ins Wohnzimmer, zwei nackte Wilde in einem Dschungel aus goldgerahmten Spiegeln und Louis-XV-Sekretären. Pierson hatte es sich bereits am hinteren Ende des Zimmers bequem gemacht: Er saß in einem riesigen Ledersessel, der ihn zu verschlingen schien und ihn noch dünner und verdorrter aussehen ließ, als er ohnehin schon war. Auf dem Grammofon rechts neben ihm drehte sich das Brahms-Sextett. Auf einem niedrigen Mahagonitisch links von ihm standen lackierte Kästchen, Jadestatuetten und andere kostbare Chinoiserien. Das Zimmer war voller Substantive und unbeweglicher Gegenstände, eine Enklave des Denkens. Nichts konnte in dieser Umgebung unpassender wirken als die Erektion, mit der Hector dort

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