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Das Buch der Illusionen

Das Buch der Illusionen

Titel: Das Buch der Illusionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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glaube kaum, dass er jemals wieder hier auftauchen werde. Sandusky ist nichts Besonderes, sagte der Mann. Bloß eine Kleinstadt, aber an Ihrer Stelle würde ich es mit Cedar Point versuchen. Da haben wir einen Vergnügungspark. Achterbahnen und Kutschfahrten, Riesenschaukeln, das Hotel Breakers, alles Mögliche. Dort hat übrigens Knute Rockne den Steilpass erfunden, falls Sie sich für Football interessieren. Im Winter ist jetzt natürlich geschlossen, aber es lohnt sich schon, sich das mal anzusehen.
    Der Mann skizzierte ihm eine Wegbeschreibung auf eine Papierserviette, doch statt sich vom Bahnhof nach rechts zu wenden, ging Hector nach links. Das brachte ihn nicht zur Columbus Avenue, sondern zur Camp Street, und wie um seinen Fehler noch zu vergrößern, ging er die West Monroe Street statt nach Osten nach Westen hinunter. Erst als er die King Street erreichte, begann ihm zu dämmern, dass er sich in die falsche Richtung bewegte. Die Halbinsel war nirgendwo zu sehen, und statt Zentrifugen und Riesenrädern sah er nur eine öde Wildnis aus abgerissenen Fabrikgebäuden und leeren Lagerhäusern vor sich. Kaltes graues Wetter, bedrohlicher Schneegeruch in der Luft, das einzige Lebewesen im Umkreis von hundert Metern ein räudiger dreibeiniger Hund.
    Hector machte kehrt und begann den Weg zurückzugehen, und in diesem Augenblick, sagte Alma, packte ihn ein Gefühl der Nichtigkeit, eine so große, so schonungslose Erschöpfung, dass er sich an eine Mauer lehnen musste, um nicht zusammenzubrechen. Vom Eriesee blies eiskalter Wind, und obwohl er ihn im Gesicht spürte, vermochte er nicht zu sagen, ob der Wind echt war oder nur in seiner Einbildung existierte. Er wusste nicht mehr, in welchem Monat, in welchem Jahr er sich befand. Er hatte seinen Namen vergessen. Backsteine und Pflastersteine, sein dampfender Atem in der Luft, der dreibeinige Hund, der um die Ecke hinkte und verschwand. Es war ein Bild seines Todes, wie er später erkannte, das Porträt einer Seele in Ruinen, und auch nachdem er sich aufgerafft hatte und weitergegangen war, blieb ein Teil von ihm noch lange auf dieser verlassenen Straße in Sandusky, Ohio, stehen und rang keuchend nach Luft, während sein Dasein aus ihm herausrieselte.
    Um halb elf schob er sich auf der Columbus Avenue durch das Gewühl der Weihnachtseinkäufer. Er kam am Warner Bros. Theater vorbei, an Ester Gings Maniküresalon und an Capozzis Schuhreparatur, er sah Leute bei Kresge's, Montgomery Ward und Woolworth's ein und aus gehen, hörte einen einsamen Nikolaus der Heilsarmee sein Glöckchen schlagen. Als er zur Commercial Banking and Trust Company kam, beschloss er, hineinzugehen und zwei seiner Fünfziger in Fünfer, Zehner und Einer umtauschen zu lassen. Eine sinnlose Transaktion, aber etwas Besseres fiel ihm fürs Erste nicht ein, und statt weiter im Kreis herumzuirren, fand er die Idee, wenigstens für ein paar Minuten der Kälte zu entkommen, gar nicht so schlecht.
    Zu seiner Überraschung war die Bank voller Kunden. Männer und Frauen standen in Schlangen zu acht und zehnt vor den vier vergitterten Kassenschaltern an der Westwand. Hector stellte sich ans Ende der längsten Schlange, vom Eingang aus gesehen die zweite. Kurz nachdem er seinen Platz eingenommen hatte, stellte sich an der Schlange unmittelbar links von ihm eine junge Frau an. Sie sah aus wie Anfang zwanzig und trug einen dicken Wollmantel mit Pelzkragen. Da er gerade nichts Besseres zu tun hatte, begann Hector sie aus den Augenwinkeln zu mustern. Sie hatte ein bewundernswertes, interessantes Gesicht, fand er, mit hoch angesetzten Wangenknochen und anmutig konturiertem Kinn, und ihm gefiel der nachdenkliche, selbstgenügsame Blick, den er in ihren Augen bemerkte. In den alten Zeiten hätte er sie sofort angesprochen, jetzt aber gab er sich damit zufrieden, sie nur anzusehen, sich das vom Mantel umhüllte Fleisch vorzustellen und sich auszumalen, was für Gedanken wohl in diesem reizenden Kopfkreisen mochten. Einmal sah sie unabsichtlich zu ihm herüber, und als sie merkte, wie gierig er sie anstarrte, erwiderte sie seinen Blick mit einem knappen, rätselhaften Lächeln. Hector nickte, bestätigte ihr Lächeln, indem er ebenfalls lächelte, und augenblicklich veränderte sich ihre Miene. Sie kniff die Augen zusammen, runzelte wie fragend die Stirn, und Hector wusste, dass sie ihn erkannt hatte. Kein Zweifel: Die Frau hatte seine Filme gesehen. Sein Gesicht war ihr vertraut, und auch wenn sie jetzt noch rätselte,

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