Das Buch der Illusionen
das ganze Anwesen nur ein paar tausend Dollar bezahlt. Frieda stammte aus einer wohlhabenden Familie, besaß aber nicht sehr viel eigenes Geld. Eine kleine Erbschaft von ihrer Großmutter - zehn- oder fünfzehntausend Dollar, mehr wohl kaum. Ihre Mutter bot ihr immer wieder an, ihre Rechnungen zu bezahlen, aber das wollte Frieda nicht. Zu stolz, zu stur, zu unabhängig. Ein Leben als Schmarotzer war nichts für sie. Daher waren sie und Hector nicht in der Lage, Arbeiter anzuheuern und sich ein Haus bauen zu lassen. Kein Architekt, kein Bauunternehmer - so etwas konnten sie sich nicht leisten. Zum Glück kannte Hector sich aus. Das Zimmermannshandwerk hatte er von seinem Vater gelernt, er hatte als Kulissenbauer beim Film gearbeitet, und diese Erfahrungen halfen ihnen jetzt, die Baukosten auf ein Minimum zu beschränken. Er entwarf das Haus selbst, und dann bauten er und Frieda es mehr oder weniger mit eigenen Händen. Es war ein sehr schlichtes Gebäude. Ein Häuschen aus Lehmziegeln. Eingeschossig und mit sechs Zimmern, und geholfen wurde ihnen dabei nur von drei mexikanischen Brüdern, arbeitslosen Tagelöhnern, die irgendwo am Stadtrand lebten. In den ersten Jahren hatten sie nicht einmal Strom. Wasser hatten sie natürlich, Wasser war unabdingbar, aber es dauerte ein paar Monate, bis sie welches gefunden hatten und einen Brunnen graben konnten. Das war der erste Schritt. Danach suchten sie die Stelle aus, wo das Haus stehen sollte. Dann machten sie Planskizzen und begannen mit dem Bau. Das alles brauchte Zeit. Sie sind nicht einfach dorthin gezogen und haben sich ins gemachte Nest gesetzt. Die ganze Gegend war öd und leer, und sie mussten alles von Grund auf selber bauen.
Und was dann? Was haben sie getan, als das Haus fertig war?
Frieda war Malerin, sie fing wieder an zu malen. Hector las Bücher und führte sein Tagebuch, vor allem aber pflanzte er Bäume. Das wurde seine Hauptbeschäftigung, seine Arbeit für die nächsten Jahre. Er rodete mehrere Morgen Land um das Haus und installierte nach und nach ein kunstvolles unterirdisches Bewässerungssystem. Erst dann war es möglich, einen Garten anzulegen, und als der Garten so weit war, kümmerte er sich um die Bäume. Ich habe sie nie gezählt, aber es sind sicher zwei- bis dreihundert. Pappeln und Wacholder, Weiden und Espen, Pinien und Weißeichen. Vorher waren dort nur Yucca und Beifuß gewachsen. Hector machte einen kleinen Wald daraus. In wenigen Stunden siehst du es selbst, aber für mich ist es schon lange einer der schönsten Orte der Welt.
Das ist das Letzte, was ich ihm zugetraut hätte. Hector Mann, der Gartenbauexperte.
Er war glücklich. Wahrscheinlich glücklicher als in jeder anderen Phase seines Lebens, aber dieses Glück nahm ihm auch jeglichen Ehrgeiz. Er hatte nichts anderes mehr im Sinn, als sich um Frieda zu kümmern und sein Land zu bestellen. Nach allem, was er in den Jahren davor durchgemacht hatte, war ihm das genug, mehr als genug. Verstehst du, er tat immer noch Buße. Nur dass er jetzt nicht mehr versuchte, sich selbst zu zerstören. Noch heute spricht er von diesen Bäumen als der größten Leistung seines Lebens. Besser als seine Filme, sagt er, besser als alles andere, was er jemals getan habe.
Womit haben sie Geld verdient? Wenn sie so knapp dran waren, wovon haben sie gelebt?
Frieda hatte Freunde in New York, und viele dieser Freunde hatten gute Verbindungen. Die haben ihr Aufträge besorgt. Illustrationen für Kinderbücher, Zeichnungen für Zeitschriften, alle möglichen freiberuflichen Arbeiten. Das brachte nicht viel, hielt sie aber über Wasser.
Da muss sie doch recht talentiert gewesen sein.
Wir reden hier von Frieda, David, und nicht von irgendeiner verwöhnten Möchtegernkünstlerin. Sie besaß außerordentliches Talent und eine wahre Leidenschaft für die Kunst. Sie hat mir einmal erzählt, sie glaube nicht, das Zeug zu einer großen Malerin zu haben, fügte aber hinzu, wenn sie Hector nicht kennengelernt hätte, hätte sie wahrscheinlich ihr Leben lang versucht, eine zu werden. Gemalt hat sie schon seit Jahren nicht mehr, aber sie zeichnet immer noch, und zwar verdammt gut. Fließende, geschmeidige Linien, ungeheures Gefühl für Komposition. Als Hector wieder anfing, Filme zu machen, entwarf sie die Storyboards, die Kulissen und Kostüme, prägte also die optische Erscheinung der Filme entscheidend mit. Sie war ein wesentlicher Bestandteil des ganzen Unternehmens.
Ich verstehe immer noch nicht. Die beiden
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