Das Buch der Schatten 2
Babyalbum durch und verglich es mit Mary K.s. Mein Geburtsdatum und mein Geburtsgewicht waren korrekt angeführt. Unter Erste Eindrücke hatte Mom geschrieben: »Sie ist so unglaublich schön. Sie ist alles, worauf ich so lange gehofft und wovon ich je geträumt habe.«
Ich schlug das Album zu. Wie hatten sie mich nur die ganze Zeit so anlügen, wie in dem Glauben lassen können, ich wäre ihre leibliche Tochter? Ich fühlte mich instabil, als hätte ich kein Fundament. Alles, woran ich geglaubt hatte, mein ganzes Leben, erschien mir jetzt wie eine Lüge. Wie konnte ich ihnen das je verzeihen?
Sie würden mir einige Fragen beantworten müssen. Ich hatte das Recht, alles zu erfahren. Ich ließ den Kopf in die Hände sinken und fühlte mich müde, alt und emotional ausgelaugt.
Mittlerweile war es Mittag. Würden sie nach der Kirche im Widow’s Diner zu Mittag essen? Würden sie danach zum Friedhof fahren, um Blumen auf die Gräber
der Rowlandses und der Donovans, der Familie meiner Mutter, zu legen?
Vielleicht. Wahrscheinlich. Ich ging in die Küche, weil ich dachte, ich sollte auch etwas zu Mittag essen. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts zu mir genommen. Doch ich war zu durcheinander. Ich holte mir nur eine Cola light aus dem Kühlschrank und wanderte dann wieder ins Büro, in dem der Computer stand.
Ich wollte ein bisschen recherchieren. Stirnrunzelnd betrachtete ich den Bildschirm. Wie war ihr Name noch mal buchstabiert worden? Maive? Mave? Maeve? Der Nachname war Riordan, daran erinnerte ich mich genau.
Ich tippte »Maeve Riordan« ein, worauf ich siebenundzwanzig Treffer erhielt. Seufzend machte ich mich daran, sie mir einen nach dem anderen anzusehen. Eine Pferdefarm im Westen von Massachusetts. Eine Ärztin in Dublin, auf Ohrerkrankungen spezialisiert. Einen nach dem anderen sah ich mir die Einträge an, las ein paar Zeilen und schloss die Fenster wieder. Ich wusste nicht, wann meine Familie nach Hause kam und was mir bevorstand, wenn sie es tat. Ich war verletzt, aber gleichzeitig fühlte ich mich seltsam distanziert, als würde das alles jemand anderem widerfahren.
Klick. Maeve Riordan, Bestseller-Liebesroman-Autorin, präsentiert Meine Hochlandliebe.
Klick. Maeve Riordan in einem HTML-Dokument.
Stirnrunzelnd klickte ich auf den Link. Es war eine Seite über Ahnenforschung mit Links zu anderen Seiten dieser Art. Cool. Es sah so aus, als tauchte der Name Maeve Riordan auf drei Seiten auf. Ich klickte die erste an. Ein spärlicher Familienstammbaum tauchte auf und nach einigen Minuten fand ich den Namen Maeve Riordan. Leider war diese Maeve Riordan schon 1874 gestorben.
Ich klickte mich auf demselben Weg zurück, und der nächste Link brachte mich auf eine Seite, auf der gar keine Daten waren, als wäre die Seite noch im Aufbau. Frustriert knirschte ich mit den Zähnen.
Aller guten Dinge sind drei, dachte ich und klickte die letzte Seite an. Oben auf dem Bildschirm tauchten in kunstvoll verschnörkelten gälischen Buchstaben die Worte Belwicket und Ballynigel auf. Auch dies war ein Stammbaum, doch er hatte viele verschiedene Äste, als wäre es eher ein Familienwald – oder als hätten die Leute die gemeinsame Verbindung zwischen diesen Familien nicht gefunden.
Rasch suchte ich nach Maeve Riordan. Es gab unendlich viele Riordans. Dann entdeckte ich sie: Maeve Riordan. Geboren an Imbolc 1962, Ballynigel, Irland. Verstorben an Litha 1986, Meshomah Falls, New York, USA.
Mit offenem Mund starrte ich auf den Bildschirm. Imbolc. Litha. Das waren Wicca-Sabbate. Diese Maeve Riordan war eine Hexe gewesen.
Eine plötzliche Hitzewelle pulsierte durch meinen Schädel und ließ meine Wangen kribbeln. Ich schüttelte den Kopf und versuchte nachzudenken. 1 986. Sie war in dem Jahr nach meiner Geburt gestorben. Und sie war 1962 geboren worden. Womit sie bei meiner Geburt im selben Alter gewesen war wie die Frau auf meiner Geburtsurkunde.
Das ist sie, dachte ich. Das muss sie sein.
Ich klickte überall auf den Bildschirm und versuchte, irgendwelche weiteren Links zu finden. Ich war fast verzweifelt. Ich brauchte mehr Informationen. Mehr. Doch stattdessen tauchte eine Nachricht auf: Verbindung unterbrochen. URL reagiert nicht.
Frustriert fuhr ich den Computer herunter. Dann saß ich da und tippte mit einem Stift gegen meine Lippen. Gedanken rasten durch meinen Kopf. Meshomah Falls, New York. Ich kannte den Namen. Es war eine kleine Stadt, nicht allzu weit von hier, vielleicht zwei Stunden. Ich musste mir das
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